Donnerstag, 28. März 2024

Schönheit und Religion: sinnlich, künsterlisch und liturgisch

Navid Kermani ist Muslim und belehrt von außen über die Schönheit des Christentums, in dem Buch mit dem passenden Titel: „Ungläubiges Staunen. Über das Christentum“. Staunen kann man auch darüber, dass man sich anscheinend „ungläubig“ nennen muss, um die Schönheit wahrzunehmen. Kermani nähert sich über die christliche Kunst der Schönheit an und bezieht sich auch auf den Sonnengesang von Franz von Assisi, in dem dieser die Schönheit der Schöpfung preist. Vor allem aber geht es um Rom und Caravaggio. Über Kunstwerke und Schönheit sich dem Christentum anzunähen, scheint heute ganz fremd geworden zu sein und dennoch sind dies genau die Dinge, die Kermani helfen, eine Brücke zwischen Christentum und Islam zu schlagen.

Schönheit als Bestandteil Gottes und der Schöpfung

In Sure 7, 180 wird im Koran von den schönsten Namen Gottes“ gesprochen. Passenderweise gibt es auch ein Buch von Kermani mit dem Titel: „Gott ist schön: Das ästhetische Erleben des Koran“. Auch im Christentum gilt Schönheit als Bestandteil der Offenbarung, so heißt es in einer wörtlichen Übersetzung von Pslam 104 (Vers 1):

Lobe den Herrn, meine Seele! Herr, mein Gott, du bist sehr herrlich; du bist schön und prächtig geschmückt“

Wenn man die Bibel vor allem schöpferisch liest, entdeckt man viele Bezüge und Verweise zwischen Schönheit, Schöpfung und dem Lob Gottes. Dies bezieht auch Erotik mit ein, so heißt es im alttestamentlichen Hohelied der Liebe:

„Schön bist du, meine Freundin,  ja, du bist schön. Zwei Tauben sind deine Augen. Schön bist du, mein Geliebter, verlockend. Frisches Grün ist unser Lager, Zedern sind die Balken unseres Hauses, Zypressen die Wände.“

Menschen suchen Schönheit und fühlen sich, wenn sie diese wahrnehmen, wohl. Sie strahlt etwas aus, dass gute Gefühle auslöst.

Schönheit und Begierde

Durch die augustinische Theologie gibt es die Tendenz eines pessimistischen Menschenbildes im Christentums. Der Mensch galt dem Kirchenlehrer Augustinus vor allem als Sünder und sinnliche Schönheit somit als Einfallstor für fleischliche Sünden. Der Lobpreis der Schöpfung wird zunehmend von einer Erlösungstheologie abgelöst. Das Neue Testament bietet auch entsprechende Textstellen für diese Sichtweise an, so heißt es in der Bergpredigt (Mt. 5,28f):

„Ich aber sage euch: Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat in seinem Herzen schon Ehebruch mit ihr begangen.Wenn dich dein rechtes Auge zum Bösen verführt, dann reiß es aus und wirf es weg! Denn es ist besser für dich, dass eines deiner Glieder verloren geht, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen wird.“

Wenn also Gedanken bereits Ehebruch sein können, die vom Heil ausschließen, sind der sinnlichen Darstellung von Schönheit durch das Evangelium Grenzen gesetzt. Vor allem, wenn man wie Augustinus davon ausgeht, dass der Mensch sowieso sündige Gedanken haben wird. Die Bergpredigt drückt in diesen Worten eine  scharfe Opposition gegen lüsterne Blicke aus und rät eher zur Selbstverstümmelung als zum bösen Blick. Zwar lehnt die Kirche Selbstverstümmelung ab, aber die Härte der Worte bleibt bestehen.

Schönheit als Bestandteil von Liturgie und Architektur

Nach dem Ersten Weltkrieg begann man zunehmend skeptischer gegenüber einer architektonischen Prachtentfaltung zu werden. Sie schien zu oft als politische Propaganda benutzt worden zu sein, als „Part of the Problem“, das zum Krieg führte und zu entfernt vom Leben der einfachen Menschen. Anstatt irgendwelche Ideen in Stein zu meißeln, gewann Pragmatismus zunehmend an Boden. Diese Sichtweise fasste auch in der Kirche Fuß.

Aber es ist die Aufgabe der Kirche eine religiöse Beziehung zu Gott zu ermöglichen, das Transzendente, das Hinüberschreiten in die andere Wirklichkeit, irgendwie darzustellen. Deshalb ist Schönheit als Bestandteil von Liturgie und Architektur unverzichtbar.  Von daher kann es nicht darum gehen, eine kalte Betonarchitektur in den Kirchenbauten zu errichten. Besonders in der orthodoxen Kirche wird Liturgie als das Darstellen der himmlischen Wirklichkeit auf Erden verstanden, weshalb Liturgie niemals trivial, niemals platt und niemals nüchtern sein kann. Liturgie soll schön sein, weil sie die Schönheit Gottes ausdrücken und auf die Erde holen will. Ebenso soll ein Kirchengebäude nicht Tristesse darstellen, sondern Gotteslob sein. Wie kann man dann noch auf Schönheit verzichten wollen?

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