Donnerstag, 28. März 2024

Leseempfehlungen für die Advents- und Weihnachtszeit 

Wunschvorschläge an den wundertätigen Bischof von Myra und das Christkind

Christoph Matthias Hagen, Innsbruck

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Saint-Nicolas in Bourcq/Frankreich Foto: Vassil 2007

Schon mit dem November sind die Tage kürzer, die Abende früher dunkler geworden. Spätestens mit dem Anbruch des Advents, vor allem, wenn es damit einhergehend draußen auch kälter geworden ist, empfindet man in Verbindung mit dem Duft der vorbereitenden Weihnachtsbäckerei und dem beginnenden Kerzenschein, der am Adventkranz mehr und mehr sich steigert, die eigene Stube und Wohnung von neuem und anders als sonst als wohlig-gemütlichen Rückzugsort.

Diese Zeit ist still, oder sie sollte es zumindest sein: still und konzentriert. Wer, anders als der Schreiber dieser Zeilen, mit entsprechenden Begabungen gesegnet ist, nutzt sie vielleicht für Handarbeiten, die alle Sorgfalt und Aufmerksamkeit erfordern, damit Nikolaus und Christkind pünktlich den selbstgestrickten Pullover oder das filigrane Stickbild bringen können.

Derjenige, der solche Fähigkeiten nicht hat, ist hoffentlich alphabetisiert. An ihn richten sich die folgenden Leseratschläge, die, rechtzeitig deponiert, im diesjährigen Nikolausstiefel landen oder im Schatten des Christbaumes auf dem weihnachtlichen Gabentisch greifbar sein könnten:

cover-978-3-95757-167-01. Im Verlag Matthes & Seitz, früher in München, jetzt in Berlin ansässig, erscheinen immer wieder Bücher, die beachtlich sind und volles Interesse verdienen, eines davon ist dem Werk des Priesterdichters und Dramaturgen Pedro Calderón de la Barca gewidmet und der Rezeption, die der Spanier in Deutschland und den Niederlanden während 300 Jahren gefunden hat, im Zeichen von Glaubensspaltung und Rekatholisierung, damit im Zeichen der Wiedergewinnung der Sinnen-Freude, das heißt der Sinne und der Freude. Mit 500 Seiten ein inhaltlich und umfänglich monumentales Werk zur Literaturgeschichte und der künstlerischen Wirkgeschichte in der Gegenreformation: LINK HIER

51yukl-eesl2. Jan Assmann befasst sich seit Jahren in kritischer Akribie mit einem Konfliktpotential, das er im Monotheismus erblickt. Dem Eingottglauben, den er von der latreutischen Verehrung einer einzelnen und einzigen Gottheit noch einmal unterscheidet, schreibt er systemimmanente Intoleranz zu, der zwangsläufig Gewaltentladungen entspringen müssen. Ein Ansatz, den Christen kritisch reflektieren sollten, gerade angesichts eines sterilen, islamischen Monotheismus, dessen einzige „Fruchtbarkeit“ tatsächlich Gewalt ist, und dies nicht durch Entstellung seiner Botschaft, sondern gerade durch deren wortgetreue Umsetzung. Wirklich auch für Christen und Katholiken gültig und zutreffend ist jedoch Assmanns Warnung vor puritanischer Verengung und Selbstabschließung: Zu einem umfassenden Geltungsanspruch muss, so kann man Assmann konzedieren und entgegnen, katholische Weite hinzutreten, die echte Toleranz erst ermöglicht und dabei sogar übertrifft: LINK HIER

artk_c3d_1016233_00013. Wir begehen 1700 Jahre Martin von Tours. Ganz ähnlich wie der heilige Nikolaus einer der volkstümlichsten Heiligen und gleichsam eine Verkörperung der teilenden Nächstenliebe, die im Teilen verbindet. Dass er zugleich ein Soldatenheiliger ist und durch konkret geübte iustitia distributiva Barmherzigkeit verkörpert und zum Frieden anleitet, ist ein eigener, zusätzlicher Gedankenanstoß: LINK HIER

artk_c3d_1014025_00014. Im sich dem Ende zuneigenden Jahr 2016 1700 Jahre Martin von Tours und 2017 500 Jahre Reformation Martin Luthers sind Kontraste, die gemeinsam trotzdem das Nachdenken anregen. Als eine Art Schauplatz und Kristallisationspunkt bringen Jürgen Krüger und Martin Wallraff (welch letzterer sich vor Jahren schon als protestantischer Theologe für die christliche Gebetsostung ausgesprochen hat – originellerweise anknüpfend an das Phänomen der Zugvögel) dem Leser das Rom der Renaissance, Luthers Rom, näher. Wie hat ihn die Ewige Stadt beeindruckt, wie in (geistig-geistliche) Schockstarre versetzt? Eine Antwort darauf versucht dieses Buch: LINK HIER

9783608961027-jpg-294825. Für den Bibliophilen und Englandbegeisterten gleichermaßen ist diese Übersetzung eines britischen Krimiklassikers gedacht. Verfasst von J. Jefferson Farjeon (1883-1955) und von Elke Schönfeld erstmals ins Deutsche übertragen, hilft diese Kriminalerzählung, nostalgisch-skurril nicht nur das Warten auf das Christkind zu verkürzen, sondern auch dasjenige auf die Weihnachtsgans: Geheimnis in Weiß, erschienen bei Klett-Cotta, mit einem Lesebändchen, fast wie im Gesangbuch: LINK HIER

artk_c3d_1017756_00016. In einer Atmosphäre medialer Selbstüberbietung in Bestürzung und Betroffenheit ob des Wahlsiegs Donald Ducks, Verzeihung: Trumps, in den Vereinigten Staaten und mit dem möglichen Menetekel eines Wahlsiegs Norbert Hofers als künftigem österreichischen Bundespräsidenten, auf den andere hoffen, an der gesellschaftlichen Wand gehört zur adventlich-vorweihnachtlichen Besinnung und Sammlung vielleicht auch das Heilmittel der Beschäftigung mit einer norddeutsch-kühlen Politikergestalt von europäischem Format: Helmut Schmidt. Kristina Spohr eröffnet diese europa-, ja weltpolitische Perspektive auf seine Persönlichkeit in den Herausforderungen der Krisen der 1970iger Jahre, die in vielem heutigen Aufgaben ähneln, aufseiten der Sozial-, wie indes der Christdemokratie gleichermaßen zweifelsohne vergleichbar arrivierte Gestaltungskräfte weitgehend ermangeln. Dazu empfehlen wir eine Prise Schnupftabak: LINK HIER

Turunen_BittenachIhnen_P02.indd7. Bitte nach Ihnen, Madame ist ein unterhaltsamer Streifzug durch die Geschichte des guten Benehmens. Vielleicht würde dieses auch Wahlkämpfe erleichtern, in jedem Fall haben aber Ari Turunen und Markus Partanen eine Kulturgeschichte der (guten) Manieren zusammengestellt, welche anzuregen und zu amüsieren versteht. Nach einem Wort von Msgr. Rudolf Michael Schmitz sind gute Manieren ja die „Liturgie der Nächstenliebe“, wenn man das so sieht, auch dieses Buch letztlich eine „fromme“ Lektüre: LINK HIER

12818_08. Advent und Weihnachten sind nicht zuletzt von der Betrachtung Mariens und ihrer Rolle im Heilsgeschehen geprägte Zeiten. Mit dem Mariendogma von 1854 steht sie als Vor- und Vollerlöste vor den Augen des Glaubens. Oder gehört zu dieser Vollerlösung neben der Leiblichen Aufnahme Mariens in den Himmel auch deren Bewahrung vor dem zeitlichen Tod hinzu? Msgr. Florian Kolfhaus verfolgt diese Frage auf selbstsicher-affirmativen Spuren. Für manche sicher ungewohnt, für andere sogar provokant. Denn eine „Miterlöserschaft“, die in einer „Verähnlichung im Tode“ wurzelt, welche Maria durch ihr Hinscheiden mit ihrem göttlichen Sohn gefunden hätte, wäre damit jedenfalls verneint, allerdings ihre universelle Heils- und Gnadenmittlerschaft erst wirklich konsequent bejaht, die als Vollerlöste, Unbefleckte, vor dem zeitlichen Tod Bewahrte, leiblich in den Himmel Aufgenommene unbeschränkt aufschiene: Die erste und vollkommenste Empfängerin des Heils in seiner Fülle als dessen einzigartige Mittlerin: LINK HIER

imkamp-geradeaus-quergedacht-cover12-10-2016-500x5009. Interviews gewinnen in Zeiten, wo der Papst diese Form, sich mitzuteilen besonders bevorzugt, eine ganz neue Qualität. Dadurch, dass sie häufig aktualitätsbezogen sind, stehen sie leicht unter dem Verdacht einer kurzen Halbwertszeit. Da mag vielleicht dem einen oder anderen die Frage kommen, welchen Reiz es haben soll, Interviews, die über Jahre und Jahrzehnte gegeben wurden, in einem Buch neu zusammenzustellen und herauszugeben, vor allem aber auch, zu diesem Buch zu greifen und es tatsächlich zu lesen. Beim Interviewband von Msgr. Wilhelm Imkamp Geradeaus quergedacht kann man dazu doppelt ermutigen: Die Interviews spannen sich von 1988 bis in die unmittelbare Gegenwart und bieten so in dem, was an ihnen zeitbedingt ist, mit der erneuten Lektüre eine Art zeitgeschichtlicher Bilanz, sie zeigen aber vor allem, dass Querdenker nicht zwangsläufig wirr oder gar unklar und verwirrend denken und sprechen müssen und dass es tatsächlich möglich ist, das Interview als Medium klarer katholischer Aussage und Orientierung zu nutzen. Wo ein Wille, da ein Weg, sogar geradeaus: LINK HIER

artk_c3d_1012887_000110. Dass eine klare und präzise Sprache der Formulierung des christlichen Glaubens angemessen ist, die keinen Raum für dauerhaft unbeantwortet bleibende Dubia lässt, zeigt sich in der markant-provokanten Figur des unbeugsamen Heiligen Athanasius von Alexandria (300-373). Dem Althistoriker und Theologen Manfred Clauss ist es gelungen, eine fesselnde und eigentümlich aktuelle, moderne Biographie dieser Gestalt der Kirchengeschichte und Theologie zu zeichnen. Eine Biographie, die zeigt, dass das eigentlich Katholische erschöpfend und letztlich nicht in einer speziellen Moralität, sondern in der Kristallisation und Schärfe eines logosgemäßen, entschieden ins Wort gebrachten, Glaubensbekenntnisses besteht. Als Historiker zeigt Clauss freilich auch, wie bei dieser Konfrontation auch machtpolitische Interessen relevant waren. Ein damals wie heute nicht unerheblicher Aspekt, den wir nicht weg-verklären sollten: LINK HIER

Besinnliche, anregende, wachrüttelnde Lektüre zu Advent und Weihnachten, abwechslungsreich genug ist diese Auswahl ja hoffentlich und für jeden etwas passendes dabei!

IMG_4533Christoph Matthias Hagen (*1977) beschäftigt sich journalistisch mit theologischen und kirchenpolitischen Fragestellungen und mit rechtstheoretischen und -historischen Problemen. Er wurde in Bernkastel-Kues an der Mosel geboren und lebt und arbeitet in Innsbruck.

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