Dienstag, 16. April 2024

10 Jahre „Casino Royale“ oder: Wie James Bond begann katholisch zu werden

Daniel Craig - New James Bond movie Casino Royale
Bildquelle: http://www.themovies.co.za

Von Stefan Ahrens

Vor genau zehn Jahren hatte am 24. November 2006 in den deutschen Kinos ein Spielfilm Premiere, bei dem es sich zwar einerseits um den bereits 21. Teil der langlebigsten Filmserie der Welt handelte, andererseits jedoch um ein wirkliches Novum.

Denn „Casino Royale“ – eine Neuverfilmung des allerersten gleichnamigen „James Bond 007“-Romans von Ian Fleming aus dem Jahr 1954 – bedeutete nicht nur das vielgelobte Debüt von Daniel Craig als Geheimagent Ihrer Majestät sondern außerdem einen fundamentalen Bruch mit dem bisherigen Verlauf der Actionreihe.

Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von Standard. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf den Button unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.

Mehr Informationen

Denn unabhängig davon, dass dieser Film in die Anfangstage von James Bond beim MI6 zurückkehrte und keinerlei Verbindungen zu allen vorangegangenen Bond-Filmen von „Dr. No“ (1962) bis „Stirb an einem anderen Tag“ (2002) aufweisen sollte, wurde die Figur des James Bond in der Verkörperung durch Daniel Craig physischer, verletzlicher –und innerhalb der (bislang) vier Daniel Craig-Bond-Filme „Casino Royale“, „Ein Quantum Trost“ (2008), „Skyfall“ (2012) und „Spectre“ (2015) Stück für Stück „katholischer“.

Bond zu „M“ in „Casino Royale“: „Sie wollen offenbar, dass ich halb Mönch, halb Killer bin.“

Inhaltlich und äußerlich wandten sich die Craig-Bond-Filme von den zwar sehr erfolgreichen, aber am Ende doch fast schon selbstparodistisch anmutenden Filmen der Pierce Brosnan-Ära ab (deren Gipfel die Nutzung eines „unsichtbaren Autos“ durch 007 in „Stirb an einem anderen Tag“ darstellte), um genau wie die „Bourne“-Filme mit Matt Damon oder Christopher Nolans „The Dark Knight“-Trilogie in Zeiten von „9/11“, NSA-Abhörskandalen und Anti-Terror-Kampf ein die katastrophale geopolitische Lage kommentierendes, anspruchsvolles, betont „realistisches“ Action- und Thrillerkino zu inszenieren – welches außerdem Stück für Stück um religiöse Untertöne und Thematiken erweitert wurde.

Davon ist jedoch in „Casino Royale“ zunächst noch nicht viel zu spüren. Hier tritt uns ein junger, arroganter und erfolgsgieriger James Bond entgegen, der zu Beginn des Films (nach der Liquidierung eines verräterischen MI6-Sektionsleiters und dessen Komplizen) frisch in den Doppel-Null-Status befördert worden ist und – da er als der beste Pokerspieler des MI6 gilt- von seiner Chefin „M“ (Judi Dench) auf den Bankier und Terrorfinanzier Le Chiffre (Mads Mikkelsen) angesetzt wird, der verlorenes Geld bei einem Texas Hold´em Poker-Turnier in der (fiktiven) Spielbank „Casino Royale“ in Montenegro wieder zurückgewinnen will. Unterstützt von Vesper Lynd (Eva Green), einer Mitarbeiterin des Britischen Schatzamtes, in die Bond sich verliebt und dem lokalen Agenten René Mathis (Giancarlo Giannini), deren Verhältnis zueinander jedoch auf härteste Proben gestellt wird, bedeutet „Casino Royale“ für Daniel Craigs Bond den Beginn einer typischen „Heldenreise“ (wie es der Mythenforscher und Religionsphilosoph Joseph Campbell in seinem 1949 erstmals erschienen Standardwerk „Der Heros in tausend Gestalten“ ausformuliert hat), die er in bislang drei weiteren Filmen fortgesetzt hat.

Vom Egoisten und Rächer zum Empathiker und Vergeber

In jedem der vier Craig-Filme durchlebt James Bond nämlich menschliche Gefühlszustände und Grunderfahrungen (Liebe und Verrat in „Casino Royale“, Hass und Rachegefühle in „“Ein Quantum Trost“, Tod und Verlust in „Skyfall“ sowie einen an die biblische Geschichte von Kain und Abel erinnernden Bruderkrieg in „Spectre“) und meistert diese am Ende geläutert und gereift. Er wandelt sich allmählich von der wandelnden, rachsüchtigen „Waffe auf zwei Beinen“ („M“ zu Bond in „Ein Quantum Trost“) zu einem erfahrenen und unbestechlichen Agenten, der seine Wut, Ängste und Rachegefühle im Zaum halten kann – und gegenüber seinen besiegten Feinden bisweilen sogar vergebende Züge annimmt – wie es beispielsweise am Schluss von Craigs zweiten Bond-Film „Ein Quantum Trost“ geschieht.

https://www.youtube.com/watch?v=QdgmAPr_m4A

Im dritten Craig-Bond-Film „Skyfall“ schließlich werden neben der genuin christlichen Fähigkeit zur Vergebung und auch der Rücknahme des eigenen Egos, die 007 in den beiden vorangegangen Filmen erlernen musste, auch andere – diesmal explizit katholische – Züge in Bonds Vita offenkundig: Im finalen Akt des Films fliehen Bond und M in das frühere Familienanwesen der Bond-Familie in Schottland (die “Skyfall Lodge”), um sich gegen den Bösewicht des Films, Raoul Silva (Javier Bardem) zu verteidigen. Bei der „Skyfall Lodge“ handelt es sich um ein Anwesen, welches in der Regierungszeit von Königin Elisabeth I. errichtet wurde und über ein sogenanntes „Priesterloch“ verfügt, in dem katholische Priester versteckt wurden, als die Ausübung des katholischen Glaubens unter schwerster Strafe stand und gar als Hochverrat gegenüber der Krone galt. Dies zeigt, dass James Bond aus einer Linie widerspenstiger, die Anglikanische Kirche ablehnenden, Katholiken abstammt – und dass er mit Sicherheit auch eine entsprechende katholische Erziehung genossen haben wird, die sich auch nach dem Tod der Eltern in der österreichischen Adoptivfamilie Oberhauser – siehe „Spectre“ – fortgesetzt haben dürfte.

In „Spectre“ gibt es auch einen interessanten, kurzen Dialog zwischen Bond und dem „Bond Girl“ des Films, Madeleine Swann (Léa Seydoux): Auf ihre Frage, was einen Mann dazu bewegen könne Berufskiller zu werden, antwortet Bond lapidar: „Na ja, das, oder Priester werden!“ Ob nun augenzwinkernder One Liner oder tatsächlich eine ernsthafte berufliche Erwägung des jungen Bond – vielleicht geben spätere Filme einmal hierüber genauere Auskunft.

M: „Bond Mum“ und „Heilige Hure“

Eine besondere Rolle bei der Entwicklung von Daniel Craigs 007-Charakter kommt in den ersten drei Filmen der von Judi Dench gespielten „M“ zu (seit „Spectre“ – und damit erstmals seit „Lizenz zum Töten“ (1989) hat mit Ralph Fiennes wieder ein Mann diesen Part übernommen). Diese ist nicht nur Bonds Vorgesetzte beim MI6 – sondern übernimmt auch die Rolle von dessen Mentorin (auch ein wichtiges Motiv der Campbellschen „Heldenreise“) und (uneingestanden) auch von dessen Mutter für den Vollwaisen Bond. Sie ist also nicht einfach ein „Bond Girl“ unter vielen, sondern die ultimative „Bond Mum“ in den Craig-Bond-Filmen. Sie ist die einzige Person, der Bond vollkommen vertraut – trotzdem er auch weiß, dass sie mitnichten eine Heilige ist und als Leiterin des MI6 auch der Staatsraison geschuldete Entscheidungen treffen muss, die im Zweifelsfall auch einmal ihn ans Messer liefern könnte.

So ist der ausgerechnet in einer Kirche inszenierte Showdown von „Skyfall“ von ganz besonderem Gewicht. In diesem stirbt „M“ in den Armen von James Bond – und Regisseur Sam Mendes (Oscar für „American Beauty“) inszenierte das Ganze als umgekehrte Pietà-Darstellung: statt Jesus im Schoss von Maria liegt hier „M“ in den Armen von Bond. Und statt einer unbefleckt empfangenen Jungfrau, die den am Kreuz ermordeten Gottessohn in den Armen hält, betrauert der „sündige Katholik“ Bond – so deutlich muss man es sagen – im Falle der toten „M“ bitterlich eine Art „heilige Hure“, die ihre Seele für die Staatsraison und die von ihr zu Beschützenden – inklusive Bond – verkaufen musste. Aufgrund der eindringlichen Darstellung von Daniel Craig und Judi Dench ist man schon fast versucht, im Kinosessel für beider Seelenheil zu beten.

https://www.youtube.com/watch?v=q8rRlF_1RPg

 

James Bond will return

Ob Daniel Craigs Bond-Interpretation nun wirklich diejenige ist, die der von Ian Fleming erfundenen Figur am Nächsten kommt (der Autor dieser Zeilen – ein bekennender Fleming-Leser – würde wohl eher für den vielfach unterschätzten Timothy Dalton plädieren) und ob der in den gegenwärtigen Bond-Filmen angelegte Katholizismus der Hauptfigur überhaupt auf Ian Fleming zurückgeht (erst in Flemings vorletztem Bond-Roman „Man lebt nur zweimal“ von 1964 wird überhaupt erwähnt, dass James Bond zum einen Schotte – ein Zugeständnis an den damaligen Bonddarsteller Sean Connery – sowie Vollwaise ist) ist zweitrangig.

Dass auch in zukünftigen James-Bond-007-Filmen die offensichtliche „katholische Dimension“ weitererzählt wird, bleibt jedoch zu hoffen. Vielleicht auch weiterhin mit Daniel Craig – der, nachdem er noch kurz nach der Premiere von „Spectre“ im vergangenen Jahr verkündete, sich „lieber die Pulsadern aufzuschneiden“ als noch einmal den Geheimagenten Ihrer Majestät zu verkörpern, nun im Oktober 2016 beim „New Yorker Festival“ zugab, dass er die Rolle schrecklich vermissen würde, sollte er sie einmal nicht mehr spielen.

Wie schon bei Sean Connery scheint also auch bei Daniel Craig das Motto zu lauten: „Sag niemals nie.“

 

Stefan Ahrens studierte Politikwissenschaft, Philosophie und Öffentliches Recht an der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und promoviert gegenwärtig über das Verhältnis Joseph Ratzingers/Benedikts XVI. zum modernen politischen Denken. Er ist Redakteur in der Bischöflichen Presse-und Medienabteilung des Bistums Regensburg, Mitglied im "Neuen Schülerkreis Joseph Ratzinger/Papst Benedikt XVI." und interessiert sich außerdem für die Spiritualität der Ostkirchen, das Jesusgebet, Hoch- und Popkultur sowie für alles was wahr, gut und schön ist.

2 Kommentare

  1. Bond katholisch? Haha, klar. Haha. Zitat: „You’re not my type.“ – „Smart?“ – „Single.“ … so viel zu Ehebruch; Casino Royale, ca. 1:03h.

Kommentieren Sie den Artikel

Bitte geben Sie Ihren Kommentar ein!
Bitte geben Sie hier Ihren Namen ein

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.

Hat Ihnen der Artikel gefallen?

Mit Ihrer Spende können Sie dafür sorgen, dass es noch mehr davon gibt:

Neueste Artikel

Meistgelesen