Donnerstag, 28. März 2024

Trauer um Downton Abbey

Von Ulrike Walker

Die junge Nachbarin im vornehmen Basler Quartier konnte mir nur noch zurufen, sie sei ganz perplex, dass ihre Bekannte «Downton Abbey» nicht kenne, ehe sie ins Haus verschwand, um die 6. und letzte Staffel nicht zu verpassen.

Einen Strassenfeger wie diesen gab es tatsächlich lange nicht mehr: „Downton Abbey“ wurde zu einem gigantischen Überraschungserfolg, gewann mehrere Emmys, Golden Globes und Bafta Awards, wird mittlerweile in mehr als 200 Länder oder Regionen verkauft und lockt allein in China regelmäßig 160 Millionen Zuschauerinnen vor den Fernseher.

Die Engländer haben es wieder einmal mehr geschafft, eine Serie über das Leben einer adligen Familie und das ihrer Angestellten stilvoll umzusetzen. Sie hebt sich niveaumässig von den aalglatten Hollywoodlangweilern ab, und von vielen deutschen sowieso, die meistens entweder etwas spiessig oder ordinär bis plump daherkommen, in der irrigen Meinung, die Einschaltquoten mit allzu offensichtlichen Sexszenen anheben zu können. Dass es darauf nicht ankommt, beweist Downton Abbey.

Aber wieso zählt Downton Abbey zu den erfolgreichsten Serien der letzten Zeit? Liegt es an der gediegenen Familienatmosphäre, den stilechten historischen Kostümen, den Intrigen oder der unerschütterlichen Liebe zwischen dem Kammerdiener und der Kammerzofe oder den gekonnt meist leicht sarkastischen Bemerkungen der grandiosen Lady Violet: «Jazz nennt man das also, weiss da auch jeder, was der andere spielt?»

Oder sind es die unterschiedlichen Schwestern? Die eine distinguiert überheblich bis unnahbar, was auf die ihr zu Füssen liegende Herrenwelt einen besonderen Reiz auszuüben scheint. Und die andere ohne Esprit, zu wenig aristokratisch, welche auf der latenten Suche nach einem Mann im Schatten der Schwester steht und eher an ein Mauerblümchen erinnert. Die dritte im Bunde sorgt mit ihrem Hang zu «revolutionären Kreisen» für Wirbel in der Familie und für einen Wirbelsturm, als sie zu allem Unglück auch noch mit dem Chauffeur des Hauses durchbrennt.

Schon das imposante Schloss ist eine wahre Augenweide, leider waren auf meiner letzten Englandreise die Tore verschlossen. Zu meinem grossen Bedauern, da ich mich sehr gerne in schönen alten «Gemäuern» aufhalte und mich liebend gerne in die Zeit samt ihrer Besitzer zurückversetze.

Vielleicht teilt doch ein nicht unerheblicher Teil der Bevölkerung diese Vorliebe oder einfach die Sehnsucht nach einer heilen Welt, von der wir natürlich alle wissen, dass es diese nie gegeben hat. Mal abgesehen vom Alltag einer wohlhabenden Adelsfamilie, der auch irgendwie «bewerkstelligt» werden musste, da jeder Tag mehr einem Sonntag als einem Wochentag glich. Vor diesem Hintergrund sollte jedem einleuchten, dass Lady Violet mit der seltsamen Bezeichnung «Wochenende» nichts anzufangen wusste.

Aber gewisse Regeln und Ordnungen um die Jahrtausendwende machten das Leben irgendwie einfacher. Man wusste um seine Stellung und damit, wohin man gehörte. Wer allerdings eine romantisch verklärte Handlung erwartet, wird enttäuscht werden. Das Schreckensszenario par excellence vor dem Traualtar auf die schier unfassbare Antwort des Bräutigams schmerzt auf unromantische Weise. Nach dieser Schmach, konnte nur dank des «einfühlsamen» Rates von Lady Violet: «Hör auf zu jammern und such dir irgendwas zu tun» eine schlimme Persönlichkeitskrise ihrer Enkelin verhindert werden. Zeit für Gefühle standen nicht auf der Tagesordnung, sondern vielmehr Pragmatismus, aber damals wie heute mussten Menschen mit unterschiedlichen Charakteren zusammenleben und Probleme lösen, die es zu Hauf gab, auch wenn diese jenseits unserer heutigen Lebenswirklichkeit liegen.

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«Mit wem verheirate man die Tochter des Hauses, die nicht mehr jungfräulich ist?»

«Wie rettet man den Familienbesitz, wenn man nur Töchter und keinen Erben aufzuweisen hat?»

«Wie versteckt man das uneheliche Kind?»

«Und wie geht man damit um, wenn die eigenen Kinder in der Blüte ihres Lebens sterben»?

Neben den privaten Unruhen, sowohl bei «den Herrschaften» als auch bei den Angestellten, streifen die Wirren des 1 Weltkrieges die Familie und hinterlassen ihre Spuren. Mit den Nachkriegsjahren beginnt ein neues modernes Zeitalter, was sich nicht zuletzt an den Kurzhaar-Frisuren bemerkbar macht. Und einen Kommentar konnte sich Lady Violet gegenüber ihrer stolzen Enkelin schwerlich verkneifen: «Ich dachte, es sei ein Mann, der deine Garderobe trägt.»

Aber das abendliche Dinner, welches durch anregende Gespräche angereichert ist, bleibt erhalten, und die unverwechselbare Lady Violet als konstanter und unverwüstlicher Fels in der Brandung, die niemand beschuldigen kann, modern zu sein, auch. Dies kann allerdings nicht über das vorzeitige Ende der beliebten Serie hinwegtrösten.

Wie gesagt, von Unruhen, Trauer und Sorglosigkeit bliebt die Familie nicht verschont aber sie meisterte diese mit Würde! Therapeutische Sitzungen auf der Récamière eines Psychiaters waren damals noch nicht im Trend! Man hatte ja die intakte Familie!

Die Autorin Ulrike Walker betreibt einen eigenen Blog (Die Weiterdenkerin), ist Mutter von vier Kindern und Ehefrau des Weiterdenkers.

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