Donnerstag, 28. März 2024

Religion und Gewalt

Ein Plädoyer die Symbolsprache der Bibel wieder zu entdecken

von Dr. Robert Harsieber

jesus_heals
Die Bibel ist nicht zu lesen wie ein historischer Roman, sondern wie meine eigene Geschichte. Ich selbst bin der Lahme, der nicht weiterkommt, der Blinde, der unfähig ist zu sehen und der Taube, der nicht hört.

Im Koran steht irgendwo über die Ungläubigen: „Tötet sie, wo immer ihr sie trefft!“ Nicht-Moslems beziehen das auf sich und plustern sich auf.

„Wenn er die Vergeltung sieht, freut sich der Gerechte; er badet seine Füße im Blut des Frevlers.“ So heißt es in Psalm 58. Und Psalm 137 endet mit den Worten: „Wohl dem, der deine Kinder packt und sie am Felsen zerschmettert!“ Das steht in den so genannten Rachepsalmen des Alten Testaments. Und auch im Neuen Testament gibt es so manche Sätze, die oberflächlich gesehen nicht sehr friedlich klingen.

Der Vollständigkeit halber sei daran erinnert, dass gegen Ende vorigen Jahrhunderts gewisse ansonsten zurechnungsfähige Geister verlangt haben, Märchen zu entrümpeln oder umzuschreiben, weil sie so grausam wären.

Allen gemeinsam ist, dass der Feldzug gegen diese Texte ein Kampf gegen Windmühlen ist, oder bloß einer gegen die eigene verbohrte Unwissenheit. Wir haben seit den Anfängen der Naturwissenschaft, also seit Galilei, Newton und Descartes, eine Begriffssprache entwickelt. Seither muss alles eindeutig und simpel sein, denn Naturwissenschaft ist die Beschreibung einfachster Systeme. Zumindest bis 1900. Dann kamen Relativitätstheorie und Quantentheorie, parallel dazu die Psychologie und Psychotherapie, und mit der Einfachheit war es genauso vorbei wie mit dem Menschen- und Weltverstehen. Aber statt sich mit den neuen wissenschaftlichen Erkenntnissen weiterzuentwickeln, blieb das allgemeine Weltbild um 1900 einfach stehen.

Wir fordern Logik, meinen damit Eindeutigkeit und Widerspruchsfreiheit, stellen uns das Atommodell noch immer als Planetensystem im Kleinen vor, und die Welt aufgebaut aus kleinsten „Bausteinen“, obwohl das eigentlich glatte Lügen sind. Das Atommodel wird noch immer in den Schulen gelehrt, und selbst Wissenschaftszeitschriften titeln mit der „Suche nach dem Gottesteilchen“, obwohl es da gar nicht um „Teilchen“ gehen kann. Während Deutung früher etwas für die Geisteswissenschaften war, tüfteln die Physiker seit 100 Jahren an der Deutung der Quantentheorie, und bis heute sind sie sich nicht dabei einig. Wir verstehen die Welt und uns selbst nicht, weil wir noch immer an der Eindeutigkeit und exakten Beschreibung der Welt und des Menschen festhalten, die es nur in der Mathematik, aber nicht in unserem Verstehen gibt.

Außerdem gibt es diese (zweifellos sehr erfolgreiche) Begriffssprache erst seit ca. 400 Jahren. Daher ist aber alles vorherige eigentlich Fremdsprache. Wir sind uns aber auch selbst zur Fremdsprache geworden, denn Naturwissenschaft bezieht sich auf Materie in Raum und Zeit, nicht mehr und nicht weniger. Der Mensch selbst kommt da nicht vor, musste sogar als Subjekt streng herausgehalten werden, damit die Methode funktioniert. Und seit der Quantentheorie funktioniert das auch in der Physik nicht mehr. Die parallel auch ab ca. 1900 sich entwickelnde Psychologie und Psychotherapie blieb ebenfalls unverstanden, sie beschäftigt sich ja mit dem – aus der Naturwissenschaft ausgeschlossenen – Menschen. Daher leben wir heute noch so, als wäre das Unbewusste nie entdeckt worden (Erwin Ringel). Und wir leben im 21. Jahrhundert mit der Technologie des 20. Jahrhunderts (die wir nicht verstehen), und glauben, die heutigen Probleme mit dem Denken des 19. Jahrhunderts lösen zu können (Hans-Peter Dürr). Leider geht das so nicht.

Aber um wieder zur Religion und religiösen Texten zurückzukommen: auch die sind Fremdsprache für unsere an der Naturwissenschaft gebildeten Sprache. Die entstanden nämlich in einer Zeit, als es diese Begriffssprache noch gar nicht gab – in einer Bilder- und Symbolsprache. Symbole sind nicht eindeutig, sondern vieldeutig, sie betreffen nicht (nur) äußere, sondern innere Wirklichkeiten, und wo es um „Gott“ geht, geht es nicht um Gott, sondern um den Menschen und seine Beziehung zum Transzendenten. Wer das so liest wie eine Begriffssprache, der sollte lieber die Finger davon lassen, egal ob Atheist oder Fundamentalist, er wird so nie verstehen, worum es da geht. Und wenn es um Bibel und Koran geht, dann können wir nur darüber diskutieren, dass es im Islam wahrscheinlich noch mehr Menschen als im Christentum gibt, die ihre eigene Religion, und daher auch die anderen nicht (mehr) verstehen.

Da wir auch die Entwicklung der Psychologie und Psychotherapie nicht mitgemacht haben, und die Psyche noch immer verleugnen und verdrängen, fehlt uns auch das Verbindungsglied zur Religion, die damit ins Reich der Fantasie verbannt wird. Aber die psychische und spirituelle Ebene sind Dimensionen menschlichen Seins, und wer diese verdrängt und verleugnet, läuft als menschlicher Torso herum.

Religiöse Schriften sind tatsächlich wie Märchen zu deuten, da haben die Atheisten nicht so Unrecht, nur verstehen die nicht, was Märchen sind, nämlich Bilder psychischer Wirklichkeiten. Und die Bibel ist nicht zu lesen wie ein historischer Roman, sondern wie meine eigene Geschichte. Ich selbst bin der Lahme, der nicht weiterkommt, der Blinde, der unfähig ist zu sehen und der Taube, der nicht hört. Und Religion ist der Weg aus diesem Unvermögen. Der Ungläubige ist nicht der Andersgläubige, sondern das eigene, abgespaltene Fremde, das „getötet“, verwandelt werden muss. Und so ganz nebenbei: Für eine verstandene Religion war Evolution schon eine Selbstverständlichkeit, da kannte Darwin das Wort noch gar nicht.

Im Psalm 58 geht es darum, was schief gelaufen ist, wieder zurechtzurücken. „Seine Füße im Blut des Frevlers zu baden“ hieße, durch die Überwindung der Fehlhaltungen die darin steckende Energie (Blut) in Lebenskraft zu verwandeln.

Der Psalm 137 handelt vom Heimweh nach dem Ursprung. Vor dem genannten Vers heißt es: „Tochter Babel, du Zerstörerin! Wohl dem, der dir heimzahlt, was du uns getan hast.“ Es geht um die eigene Fehlhaltung, die uns fern vom Ursprung hält. „Ihre Kinder zu packen und am Felsen zu zerschmettern“ hieße, das Fortschreiben der Fehlhaltungen zu unterbinden.

Genauso sind Märchen nicht „grausam“, sondern beschreiben ganz konkrete menschliche Situationen aus der seelischen Innensicht, sowie deren Entwicklung und Verwandlung.

Diese Symbolsprache wiederzuentdecken wäre Aufgabe der heutigen Zeit. Dabei wäre es so einfach, wir hätten ja die Psychologie und Psychotherapie, die uns als Bindeglied dienen könnte. Denn Begriffe sind zwar exakt, kratzen aber nur an der Oberfläche der Wirklichkeit. Symbole sind mehrdeutig, haben aber auf allen Ebenen menschlichen Seins eine stimmige Bedeutung.

Dr. Robert Harsieber ist Philosoph, Autor und Journalist (Wissenschaft, Wirtschaft, Medizin). Er betreibt in Wien eine philosophische Praxis und beschäftigt sich mit einem zeitgemäßen Weltbild, das Quantentheorie und Tiefenpsychologie mit Philosophie und Theologie verbindet.

 

  1. Teile der Bibel (tiefen)psychologisch zu lesen und zu interpretieren, ist nicht neu – siehe z.B. seinerzeit Eugen Drewermann.

    Jedenfalls gilt:
    In der Bibel plädieren die späteren Teile (NT) eindeutig zu Gottes- und Nächstenliebe statt zur Gewaltanwendung.

    Im Koran ist das genau umgekehrt: Da ist der spätere Teil gewalttätig.

    Und diese Suren werden gerade als relevant für den Islam betrachtet:
    „Ober sticht Unter“

    • Ich hätte mir allerdings bei der Kritik am vermeintlich kriegsliebenden Islam den Hinweis darauf gewünscht, daß das Christentum, insbesondere das katholische, hinsichtlich der Rechtfertigung der Kriegsführung große Errungenschaften aufzuweisen hat, die sogar älter sind als der Koran selbst: Der „gerechte Krieg“ und seine theologische Rechtfertigung haben ja allerlei Gewalt, Blutvergießen und Tod mit sich gebracht:

      „Was, in der Tat, ist denn überhaupt so falsch am Krieg? Dass Menschen sterben, die ohnehin irgendwann sterben werden, damit jene, die überleben, Frieden finden können? Ein Feigling mag darüber jammern, aber gläubige Menschen nicht […]. Niemand darf jemals die Berechtigung eines Krieges bezweifeln, der in Gottes Namen befohlen wird, denn selbst das, was aus menschlicher Gier entsteht, kann weder den unkorrumpierbaren Gott noch seinen Heiligen etwas anhaben. Gott befiehlt Krieg, um den Stolz der Sterblichen auszutreiben, zu zerschmettern und zu unterwerfen. Krieg zu erdulden ist eine Probe für die Geduld der Gläubigen, um sie zu erniedrigen und seine väterlichen Zurechtweisungen anzunehmen. Denn niemand besitzt Macht über andere, wenn er sie nicht vom Himmel erhalten hat. Alle Gewalt wird nur auf Gottes Befehl oder mit seiner Erlaubnis ausgeübt. Und so kann ein Mann gerecht für die Ordnung kämpfen, selbst wenn er unter einem ungläubigen Herrscher dient. Was immer er tut, ist entweder eindeutig nicht gegen Gottes Vorschrift oder zumindest nicht eindeutig dagegen. Selbst wenn das Geben eines Befehls den Herrscher schuldig machen sollte, ist der Soldat, der ihm gehorcht, unschuldig. Wieviel unschuldiger muss da ein Mann sein, der einen Krieg führt, der von Gott befohlen wurde, der ja niemals etwas Falsches befehlen kann, wie jeder weiß, der ihm dient?“ (Augustinus von Hippo).

      Zum schnellen Auffrischen:

      https://de.wikipedia.org/wiki/Gerechter_Krieg#Augustinus_von_Hippo

      Ich denke, daß der Papst u.a. das meinte, als er davon sprach, daß man – wenn man von der islamischen Gewalt spricht – auch immer von der katholischen Gewalt sprechen müsse. Nicht nur kriminelle Gewalt durch Katholiken, sondern höchst“heilige“ Gewalt von und mit Katholiken im Namen Gottes.

    • Eine Ergänzung noch bzgl. der Behauptung, in der Bibel plädierten die späteren Teile (NT) eindeutig zu Gottes- und Nächstenliebe statt zur Gewaltanwendung.

      Wenn ich mir die Offenbarung, das letzte Buch der Bibel, so ansehe, dann ist dort häufig und eindeutig von Krieg, Schlacht, Abschlachten, Tod, In-den-Feuersee werfen usw. die Rede. Friede, Freude, Eierkuchen herrscht erst, wenn alle Ungläubigen vernichtet sind.

      Hier „sticht“ das später Geschriebene dann wohl auch das früher Geschriebene?

      Offb 21,8 Aber die Feiglinge und Treulosen, die Befleckten, die Mörder und Unzüchtigen, die Zauberer, Götzendiener und alle Lügner – ihr Los wird der See von brennendem Schwefel sein. Dies ist der zweite Tod.

      Daß die so Bezeichneten bzgl. ihrer Charakterisierung und ihres zugedachten Schicksals übrigens eine andere Ansicht haben, wird man ihnen nicht verübeln können.

    • @ Dr. Oliver Walter

      Augustinus ist nicht die Bibel und nicht das Lehramt, sondern äußert hier eine Meinung. Andere Väter hatten dazu andere Meinungen. Na und?
      Frage ist, ob das Kriegführen Lehre der Kirche bzw. Depositum fidei ist, und das ist es nun mal nicht – anders als im Islam.

      Die Apokalypse ist kein Kriegsaufruf, sondern eine Vision in Bildern und Symbolen, deren Bedeutung noch gar nicht völlig ershclossen ist… Anderes Genre also… Textgattungen und so… Jedenfalls werden hier kommende Ereignisse vorausgesehen. Als Tatsachen, nicht als etwas, was irgendeiner erzeugen soll.

    • @zeitschnur

      Leider hat die katholische Kirche u.a. die Visionen der Apokalypse gerade in Bezug auf das Feuer leider nicht bei den Bildern belassen, die sie auf der Ketzermitra und der Samarra abgebildet hat, sondern die Leute als Vorgeschmack auf ihr Höllenschicksal und das Endgericht schon auf Erden den Flammen übergegeben – manchmal bei lebendigem Leib. Immerhin fragen sich die Dominikaner inzwischen, wie es soweit nur kommen konnte.

      Aufrufe zum Heiligen Krieg und ihr Befolgen gab es im Christentum zur Genüge. Auch im Christentum wurden die Verteidigung des wahren Glaubens als Gründe und paradiesische Belohnungen als Folgen angeführt – von höchster kirchlicher Autorität. Das kirchliche Lehramt hat sich auch damit beschäftigt. Darüber hinaus waren Augustinus‘ Ideen prägend für die theologischen Reflexionen über den gerechten Krieg im Mittelalter und auch die gewaltsame Missionierung hat sich auf seine Exegese von Worten Jesu berufen. Alles mit der Bibel in der Tasche und dem Kreuz in der Hand. Kein Wunder, daß sich viele beim Selbstverständnis des Christentums im Angesicht seiner evangeliumswidrigen Exzesse nur verwundert die Augen reiben können.

      Nein, so einfach wie Sie es sich machen, ist es nicht: gutes friedliches Christentum, bester Katholizismus – böser, gewaltverherrlichender Islam, das ist eine viel zu einseitige Sicht. Deshalb hat der Papst sehr Recht: Wer von islamischer Gewalt redet, der muß im gleichen Atemzug von christlicher, von katholischer Gewalt sprechen. Sonst muß man sich das Jesuswort vom Splitter im Auge des Bruders und dem eigenen Balken vor dem Kopf vorhalten lassen.

    • @ Dr. Oliver Walter

      Sie haben recht mit Ihrer Kritik an kirchlichen Verirrungen des Mittelalters – jedenfalls meiner Ansicht nach. Das waren schlimme Zustände, es war vieles ein Missbrauch und schwere Sünde.

      Dennoch: Unser Herr starb elend an einem Kreuz. Er marschierte nicht unter gewaltigen Bluttaten in Mekka oder sonstwo ein.

      Und das ist der kleine aber feine Unterschied. Wenn Katholiken, auch Päpste soche grausamen Dinge taten wie Mohammed, hatten sie möglicherweise Augustinus auf ihrer Seite, der auch bei ganz anderen Dingen schreckliche Dinge vortrug.
      Aber sie hatten nicht Jesus auf ihrer Seite, wie er in den Evangelien und im NT beschrieben wird.
      Mohammed aber hat ausdrücklich und aus Gottes eigenem Mund stets seinen Gott auf seiner Seite…

      Was die Höllenvisionen betrifft – das sind Bilder für den gottfernen Wahlzustand gefallener Engel und der Menschen, die sich ihnen verschreiben. Ob da ein echtes Feuer brennt in dieser Gottferne – ein irdisches Feuer, ist ja nicht deutlich. In jedem Fall ist der Zustand selbstgewählt und nicht hervorgerufen durch Gott.

      Dass die Kirche mit ihren Verbrennungen angeblicher oder wirklicher Häretiker (sie verbrannte sogar ihre eigenen Heiligen! Etwa Jeanne d’Arc) sich in einen schlimmeren Zustand brachte als es Israel tat, als es den herrn kreuzigte, ist stattgegeben. Die Kirche hätte es als in jedem Fall eher besser wissen müssen…

      Man muss auch sehen, dass die Kirche aber auch immer wieder bereit war, diese schlimmen Entgleisungen zu erkennen.
      Beim islam dürfte das deshalb schwierig sein, weil Allah selbst diese Entgleisungen ja befiehlt und der militärische Sieg Bestandteil des „Segens Allahs“ ist.
      Klar haben auch Christen sich das so zurechtgelegt, aber ohne biblische Grundlage – und das ist und bleibt der Unterschied.

  2. Zunächst ist zu sagen, dass der Anspruch, den ein Text selbst erhebt, unbedingt mitbedacht werden muss.

    Nun ist der Anspruch des Koran ein anderer als der der Hl. Schrift.
    Während der Koran wortwörtlich aus Allahs Mund stammt, ist das Schriftwort zwar inspiriert vom Hl. Geist, aber vermittelt durch die Feder einfacher Menschen.

    Der Koran darf deshalb nicht kritisch beforscht werden – eben weil er als vollkommen gilt und aus Gottes erster Hand – während die Bibel beforscht werden darf und das Lehramt immer zwischen dem unterschieden hat, was daran menschlich ist und dem, was göttlich offenbart ist. Daher die Lehre der Kirche mit ihrem Glaubensgut – nicht alles, was irgendwo in der Schrift steht, gehört zum Glaubensgut oder wäre ein Dogma, wenngleich die Schrift natürlich prinzipiell „irrtumsfrei“ ist.

    Wir kennen von alters her den vierfachen Schriftsinn. Widersprüchliche oder sehr zeitbedingte oder symbolische Texte können so leicht interpretiert werden, währen der Islam damit nicht fertig wird, dass er alles ausschließlich wörtlich aufnehmen muss. Wirklich alles. Für uns gilt auch heute nach dem KKK (nach einer Phase historisch-kritischer Überhebung):

    Littera gesta docet,
    quid credas allegoria,
    moralis quid agas,
    quo tendas anagogia.

    Der Buchstabe lehrt die Ereignisse,
    was du zu glauben hast, die Allegorie,
    die Moral, was du zu tun hast,
    wohin du streben sollst, die Anagogie (Führung nach oben)

    Widersprüche oder Textunklarheiten dürfen bei uns benannt und durchdacht werden – im Islam nicht. da wir keine Autographend er Schrift haben und nur sehr späte (mittelalterliche) Handschriften des NT, muss man auch mit Textveränderungen oder Schreibfehlern rechnen angesichts der Tatsache der Textabweichungen und teilweise merkwürdiger textfolgen, die ganz offensichtlich in sich nicht stimmig sind.

    Das darf aber nicht dazu verleiten, Texte mit einer deutlichen logischen Struktur nicht ernstnehmen zu wollen.

    Andere fragen schon: Wo fängt dann die Kritik an und wo hört sie auf? Protestantische Theologen leugnen doch längst selbst die Auferstehung, weil sie angeblich unvernünftig und unmöglich sei – im wörtlichen Sinn…

    Hinzukommt, dass gewalttätige Stellen im AT überholt sind durch deren ausdrückliche Korrektur im NT. Jesu Satz „Wer das Schwert hebt, wird durch das Schwert umkommen“ hat an Brisanz nichts eingebüßt, und es ist das Verhängnis der Kirche, dass sie sich daran nicht halten wollte – jedenfalls nicht immer. Etwaige andere Vorgänge im AT sind damit tatsächlich überholt!

    Im Koran ist es umgekehrt: die vormekkanischen, freundlichen Koranstellen werden überholt durch die späteren Stellen, die Mohammeds Sieg berichten und anfeuerten. Das Gewalttätige hat also im Koran ein größeres Recht. Darauf weisen Hamid Abdel-Samad und Sabbatina James doch immer wieder hin, und beide haben Koranschulen durchlaufen- Abdel-Samad ist Imam-Sohn und hat gewiss keinen nachholbedraf, zumal er auch einmal bei den Muslimbrüdern war, und beide wissen sehr genau, wovon sie reden, und sie stehen auch beide wegen ihrer dissidenten Haltung (der eine als Abgefallener, der andere als zum kath. Glauben Konvertierter) unter Polizeischutz – soviel zum Thema Islam und Gewalt!

  3. Das Zitat aus dem Koran „Tötet sie, wo immer ihr sie trefft!“ steht in Sure 2, Vers 191. Es gehört zu mehreren Versen der Sure an dieser Stelle, die den Kampf gegen Ungläubige beschreiben und dafür Vorschriften geben. Das Problem hier ist nicht so sehr „Bildersprache“, sondern daß dieser Satz eines Verses aus dem Kontext gegriffen und tendenziös interpretiert wird. Würde man den ganzen Abschnitt zitieren und unvoreingenommen betrachten, stellte sich die Situation nämlich anders dar:

    190 Bekämpft auf Gottes Weg die, die euch bekämpfen! Handelt aber nicht widerrechtlich!
    Gott liebt die nicht, die widerrechtlich handeln.
    191 Tötet sie, wo ihr sie trefft, und vertreibt sie, wie sie euch vertrieben haben!
    Aufruhr ist schlimmer als Töten.
    Bekämpft sie aber nicht bei der unantastbaren Moschee, bis sie euch in ihr bekämpfen!
    Doch wenn sie euch bekämpfen, dann tötet sie!
    So wird den Ungläubigen vergolten.
    192 Wenn sie dann aufhören –
    Gott ist voller Vergebung und barmherzig.
    193 Bekämpft sie, bis es keinen Aufruhr mehr gibt und die Religion Gott zukommt!
    Wenn sie dann aufhören, dann gibt es keine Feindseligkeit mehr, außer gegen die,
    die Unrecht tun“ (Koran, Sure 2 al-Baqara, Verse 190-193, Ü: H. Zirker).

    Der Koran gibt hier also Anweisungen für den Fall, daß Muslime bekämpft werden, und keine generelle Handlungsanweisung, die Muslimen gebieten würde, überall und unter allen Umständen Ungläubige umzubringen, sondern nur dann, wenn Muslime angegriffen werden. Wenn Muslime bekämpft werden, so sollen sie sich wehren, selbst dabei aber nicht rechtswidrig handeln. Es wird angewiesen, die Gegner zu töten und zu vertreiben, der Muslime vertrieben hat. Eingeschränkt wird, daß nicht bei der Moschee gekämpft werden soll, außer Muslime werden dort bekämpft. Dann ist auch wieder die Tötung der Gegner erlaubt. Klar gemacht wird, daß den Gegnern Vergebung und Barmherzigkeit zusteht, wenn sie mit dem Kampf gegen Muslime aufhören. Der Kampf soll solange anhalten, bis „die Religion Gott zukommt“, d.h. bis Gott ohne Verfolgung und Angst angebetet werden kann und niemand gezwungen wird, sich vor einem Menschen in Anbetung niederzuwerfen (Muhammad Asad, The Message of the Quran). Es gibt in diesem Fall keine Feindseligkeiten mehr – nur noch gegen diejenigen, die Unrecht begehen.

    • So ganz überzeugt mich das nicht, auch wenn man natürlich nicht als Christ behaupten kann, es gäbe nicht auch in unserer Heiligen Schrift Stellen, die irgendwie gewalttätig klingen oder Gewalttätiges berichten.

      Die Koranstelle ist sehr milde übersetzt. In meiner Koran-Übersetzung von Max Hemming heißt das teilweise etwas anderes:

      „… (190) und bekämpft in Allahs Pfad, wer euch bekämpft; doch übertretet nicht; siehe Allah liebt nicht die Übertreter.
      (191) Und erschlagt sie, wo immer ihr auf sie stoßt, und vertreibt sie, von wannen sie euch vertrieben; denn Verführung ist schlimmer als Totschlag…

      (193) Und bekämpfet sie, bis die Verführung aufgehört hat, und der Glaube an Allah da ist.“

      Hintergrund der Stelle ist, dass Mohammed mit seiner Kämpfern zurück nach Mekka ging, um dort militärisch die Bevölkerung niederzuringen, die seine Religion nicht hatte annehmen wollen. Daher die Anspielug darauf, dass die Angesprichenen „vertrieben“ worden seien. es geht hier um Alles oder Nichts, nicht um so ein saumseliges Geschlitter, wie es bei Ihnen interpretiert wird von diesem islamischen Kommentator.
      Es ist auch nicht erlaubt, den historischen Hintergund hier einfach wegzustreichen. Vielmehr bedeutet der historische Hintergrund für den gläubigen Muslim ein Vorbild: Wo immer man mit dem Islam nicht anerkannt wird, kann man als Eroberer zurückkehren. Wo man einmal Heimatrecht hatte, gebührt einem der Sieg des Islam. Das ist „Allahs Pfad“. Die Stelle ist eindeutig: Man soll solange kämpfen um das Vorrecht, bis alle sich dem Islam gebeugt haben („wenn der Glaube an Allah da ist“).
      Genauso verlief ja auch der historische Kriegszug gegen die Mekkaner!

      Mir ist klar, dass viele Muslime mit diesem Kram an sich auch eher peinlich berührt sind, sofern sie ein Herz im Leib haben. Viele aber auch nicht, und woher sonst nähmen die vielen Fundamnetalisten eigentlich ihre mörderische Gesinnung, wenn der Koran samt vielen Interpreten nicht eben doch die Legitimation dazu hergäbe?

      Zur „postmodern“ angemessenen lesart heiliger Texte ein anderer Kommentar…

    • Der von Ihnen genannte Übersetzer heißt Max Henning (nicht Hemming). Seine Übersetzung stammt aus dem Jahr 1901. Daß sich eine solche Übersetzung anders liest und Verständnisschwierigkeiten mit sich bringt (wer würde schon ohne Erläuterung verstehen, was mit „Übertreter“ gemeint ist? Daß damit diejenigen gemeint sind, die die Gebote Allahs übertreten und damit rechtswidrig handeln) als die moderne Übersetzung des katholischen Theologieprofessors Hans Zirker ist nicht verwunderlich. Leider haben Sie aber nicht nur eine Übersetzung in veraltetem Deutsch gewählt, sondern auch das getan, was ich als problematisch in meinem Kommentar bezeichnet habe: Sie haben ein paar Verse weggelassen – und zwar diejenigen, die die vielen Bedingungen betreffen, unter denen Muslimen die Selbstverteidigung erlaubt ist, und die Passagen, die von Vergebung, Barmherzigkeit und dem Ende der Feindseligkeit sprechen.

      Das meinte ich mit tendenziöser und verfälschender Interpretation unter Auslassung des Kontextes.

    • Welche Argumentation! Was neuer ist ist also immer besser und wahrer?!

      Eine Übersetzung ist, nur weil sie älter ist, nicht zwangsläufig unpräziser. Wir kennen das auch bei uns: Alle neueren und gängigen Bibel-Übersetzungen sind samt und sonders ungenauer als die älteren und zeichnen sich durch Verwässerungen aus Zeitgeistgründen aus…

      Ob die Sprache altertümlich ist oder nicht, hat bzgl. dieses Problems der Genauigkeit nun gar nichts zu sagen.

      Und ob ein neuer Übersetzer ein katholischer Theologieprofessor ist, macht die Sache auch nicht „richtiger“. Mit katholischen Professoren gibt es ja ohnehin ständig gravierende Probleme – ein Küng leugnet ja verdeckt sogar die Gottessohnschaft Jesu. Kurz: Bei dieser Spezies muss man heute auch mit allem rechnen, auch mit Unwahrhaftigkeit, Häresie und Schlussfehlern.

      Ja, „Henning“ natürlich, war ein Tippfehler. „N“ liegt direkt neben „M“.

      Sie scheinen Ihre Mitmenschen davon abgesehen offenbar für hoffnungslos dumm oder sprachunfähig zu halten. Es ist ziemlich logisch, dass ein „Überteter“ einer ist, der (ein Gesetz) übertritt. Was soll man denn sonst darunter verstehen? Und warum soll man das heute nicht mehr verstehen?
      Es ist dafür der wohl präzisteste Begriff, und alleine das ist schon viel wert und bewahrt vor Interpretationsirrtümern. Raubt man dem Begriff seine Präzision, damit man es freundlicher interpretieren kann, dann ist DAS, DAS und nur das „tendenziös“.
      Es wäre hier vielmehr die Frage, was denn nach islamischem Recht hier das Gesetz wäre, das übertreten werden könnte – aber da passen Sie samt dem Kommentator… es gibt ein solches Recht, aber man kann es nicht aus diesen Zwischenversen ableiten.

      Ich habe übrigens keine Verse ausgelassen, die nicht schon durch Sie zitiert worden wären. Die ich zitierte, zitierte ich wegen der anderen Übersetzung. Zudem sind das m.E keine Bedingungen einer Selbstverteidigung, wenn hier der historische Feldzug Mohammeds gegen die Mekkaner bezeichnet wird. Dieser Feldzug war objektiv keine Selbstverteidigung, sondern ein Rachefeldzug bzw. ein Angriffskrieg. Das die Muslime es so „interpretiert“ haben, mag ja sein, aber ob es deswegen so war, ist schon durch deren eigene Geschichtsschreibung fragwürdig. Aber auch Hitler hat ja bekanntlich am 1. September „ab heute zurückgeschossen“ – so kann man es auch sehen.

      Ansonsten sind Sie meinen Hauptargumenten ja ausgewichen, denn mit keinem Wort gehen Sie darauf ein.

      Muhammad Asad übrigens hieß eigentlich Leopold Weiss und war ein Jude aus Lemberg, der 1926 zum Islam konvertierte: https://de.wikipedia.org/wiki/Muhammad_Asad

      Das islamische Konvertiten die schlechtesten Erklärer ihrer „neuen“ Religion sind, weiß man auch – im Falle von Weiss brachte er das gesamt methodische Denken seiner eigenen westlichen Kultur ein und es ist sehr fraglich, inwieweit er damit das Selbstverständnis des genuinen Islam treffen konnte. Zudem weiß man, dass Asad sich eine friedliche Verständigung zwischen Ost und West wünschte, eben weil er selbst eigentlich ein Westlicher war! Ob deswegen die Muslime, die von hause aus und im Orient den Islam leben, dieselben Wünsche haben, darf man gerne bewzeifeln.

    • Die Übersetzung von Max Henning benutzt veraltetes Deutsch, weil sie aus dem Jahr 1901 ist, schon deshalb klingt sie anders als die moderne Übersetzung von Hans Zirker. Und nein, man weiß nicht genau, was mit „Übertreter“ gemeint ist, wenn nur da steht:

      „und bekämpft in Allahs Pfad, wer euch bekämpft; doch übertretet nicht; siehe Allah liebt nicht die Übertreter.“

      Es fehlt das Objekt im Satz: „doch übertretet nicht“. Unter anderem deshalb ist Hans Zirkers Übersetzung besser.

      Den Rest Ihrer Einlassungen habe ich nicht kommentiert, weil er eines Kommentares nicht bedarf. Ihre Art und Weise der Argumentation spricht für sich und gegen Sie.

      Mehr werde ich zu Ihren Ausführungen nicht schreiben.

    • Ach nein – die alte Masche, wenn einem die Argumente fehlen, beschimpft man das Gegenüber rein persönlich … ein Rückzugsgefecht also, aber auf keinem erfreulichen Niveau.

      Meine Argumente sprechen dagegen weder für noch gegen MICH (als ob es hier um MICH ginge!), sondern für oder gegen bestimmte Thesen oder Annahmen. dem weichen Sie aus durch Metaebenen-Debatten.

      Um 1901 herum war eine solche Unterscheidung zwischen Person und Sache übrigens noch im Curriculum. Damals bedurfte ein Satz auch nicht zwangsläufig eines Objektes… Subjekt und Prädikat genügten. Und selbst etwas holprige Sätze vermochte man damals noch zu verstehen. Ja damals…

      Und zum Schluss noch eine Preisfrage: Warum ist das Wort „übertreten“ unverständlich und man weiß nicht genau, was es heißt, die Wortverbindung „widerrechtlich handeln“ dagegen ist jedem, auch ohne dass er wüsste, auf welches Recht Bezug genommen wird, dagegen sehr verständlich?
      Sachlich gesprochen wissen wir in beiden Fällen ohne Bezugnahme auf ein konkretes Recht nicht, was eine Übertretung/ein Rechtsbruch sein soll. Dazu müsste man dieses Recht referieren, etc. aber ich wiederhole mich…

  4. Mich würde mal interessieren, wie der Autor denn unterscheidet, was nur Bildsprache ist und was nicht. Im Grunde wären dann auch Kreuzigung und Auferstehung Bildsprache ?

    Ist das die Quintessenz, nur etwas verklausuliert dargestellt?

    • Paulus schreibt an die Gemeinde in Rom:
      „Röm 6,3 Oder wisst ihr nicht, dass wir mit Jesus Christus gestorben sind, als wir auf seinen Namen getauft wurden? Röm 6,4 Denn durch die Taufe sind wir mit Christus gestorben und begraben. Und genauso wie Christus durch die herrliche Macht des Vaters von den Toten auferstanden ist, so können auch wir jetzt ein neues Leben führen.“
      Kreuzigung und Auferstehung Jesu ist ein Gleichnis für unser Leben. Jesus hat „real“ das vorweggenommen, was wir durch ein Bekenntnis zu Jesus für uns in Anspruch nehmen können.
      Paulus schreibt an die Gemeinde in Korinth:
      „2Kor 5,17 Das bedeutet aber, wer mit Christus lebt, wird ein neuer Mensch. Er ist nicht mehr derselbe, denn sein altes Leben ist vorbei. Ein neues Leben hat begonnen!“

    • Mit Symbolsprache ist nicht gemeint, dass etwas „nur“ symbolisch gemeint ist, Im Gegenteil: symbolisch heißt, dass etwas eine viel tiefere Bedeutung hat. Begriffe betreffen das Äußere, die Oberfläche. Symbole betreffen das Ganze eines Phänomens, sie haben auf allen Dimensionen eine Bedeutung, sind auf allen Ebenen – von der äußeren historischen, über die psychische bis hin zur spirituellen – stimmig. Symbolsich heißt, dass es die äußere UND innere Welt betrifft.

  5. Darauf müßte man länger antworten, als es mir mit dem Smartphone jetzt möglich ist.

    Nur soviel: Man unterschätze die Leute früher nicht. Die konnten durchaus etwas wörtlich so meinen, wie sie es hingeschrieben haben. Und das ist bei den nicht poetischen Teilen der Bibel der Fall. Und im Koran sowieso. (Weche es nebenbei nicht angeht, so nebeneinanderzustellen, als seien sie nur jeweils die heiligen Bücher verschiedener Religionen und nicht die eine richtig und der andere falsch. Und auch die Behauptung, beide enthielten gewalttätige Texte, kann nur unter Auslassung entscheidender und für Leute, die willig sind, die Bücher auch aufzuschlagen, offensichtlicher Unterschiede in den Raum gestellt werden.)

    Es ist durchaus beeindruckend, wie sehr z. B. bei einem aus jeder Zeile Logik und Begriffsklarheit versprühenden Mann wie Thomas von Aquin (offenbar gab’s das schon vor Descartes und Galileo) gelegentlich und im Sed-contra auch häufiger ein Biblzitat geradezu kraß wörtlich verstanden wird und so einen Fall klärt.

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