Donnerstag, 28. März 2024

Der Mantilla-Wahn (1/3)

Warum Kopftücher zu einem katholischen Life- und Faithstyle gehören, war im Beitrag "Die Mantilla - Einfach Spitze" zu lesen. Als Debattenmagazin holen wir nun in einer dreiteiligen Serie zum fundierten Gegenschlag aus.

Ist die Frau kein Ebenbild Gottes?

Von Hanna Maria Jüngling

In den letzten Jahren tobt auf dem Traditionalisten-Schlachtfeld der Kampf um einen speziellen Kommunion-Schleier für katholische Frauen, die „Mantilla“.

Ich muss sagen, dass ich, bevor ich mit Traditionalisten in Berührung kam, noch nie von einer „Mantilla“ gehört habe. Dieses Accessoire gab es hierzulande noch niemals, wurde von niemandem verlangt und auch niemals offiziell vorgeschrieben. Ich habe diesbezüglich viele einheimische hochbetagte Katholiken, darunter auch Priester, befragt. Es ist definitiv niemals „Tradition“ gewesen.

Fast alle betagten, keineswegs progressiven Frauen reagierten mit dem Satz „Mantilla – was ist das?“

Und auf die Beschreibung hin, dass es sich um durchsichtiges Spitzentuch handle, das Frauen in der Hl. Messe tragen sollten, um eine besondere Frömmigkeit zur Schau zu stellen, schüttelten sie den Kopf und sagten, davon hätten sie noch nie gehört. Allenfalls könne es sein, dass solche Bräuche in Südeuropa üblich seien und bei Papstmessen vielleicht, aber hier in Deutschland? Eine weit über Achtzigjährige wusste, dass das die „Lefebvristen“ eingeführt hätten, dass man das aber in ihrer Kindheit unter Pius XI. und XII. niemals so gehandhabt hätte.

Nun wird aber in den letzten beiden Jahren eine so penetrante Propaganda für dieses Tuch gemacht, als sei das eine “Tradition“, die „immer“ und überall gegolten habe und vorgeschrieben gewesen sei und aus „feministischen“ Gründen verweigert werde. Es ist auffallend, dass derselbe Kampf prinzipiell auch im Islam und verschiedenen protestantischen Sekten und evangelikalen Freikirchen tobt. Als Bestätigung für die Richtigkeit dieses Tuchs verweist man auf die orthodoxe Praxis – als ob uns die schismatische Orthodoxie hier etwas zu sagen hätte oder gar der ohnehin aus katholischer Sicht häretische Protestantismus! Ganz zu schweigen vom Islam.

Ein Thema, das seit Jahrhunderten die katholische Kirche nicht berührt hat, soll nun plötzlich eine solche Wichtigkeit haben?

Angesichts einer solchen neuen Mode, die nun zur Tradition erkoren wird, sollten doch jedem nüchtern denkenden Menschen alle Alarmglocken schrillen.

Die Mantilla-Fraktion führt einen penetranten Stellvertreterkrieg auf ungezählten Internetforen, auf Blogs und in informellen Gesprächen, und fährt die verrücktesten und zweifelhaftesten Argumente auf, um Frauen einzuflößen, ihre bisherige Aufmachung in der Hl. Messe sei nicht „traditionell“ genug. Tatsache ist und bleibt jedoch, dass in den letzten Jahrhunderten diese Angelegenheit in der Gesamtkirche kein Thema war. Regionale Gebräuche mag es gegeben haben, aber sie können niemals als Forderung an alle erhoben werden, wenn das Lehramt niemals eine solche spezielle Forderung erhoben hat und auch mit den allgemeineren Kleidervorschriften nicht all zu streng umgegangen war.

Ich will mich zunächst mit der immer wieder aufgestellten Behauptung, der Apostel Paulus habe das Gebetstuch vorgeschrieben, befassen und danach einige der haarsträubendsten Begründungen für die „Mantilla für alle“ näher ansehen. Ein besonderes Augenmerk soll auf das mittelalterliche Decretum Gratiani gelegt werden, denn Gratian behauptet in diesem kirchenrechtlichen Werk doch tatsächlich, die Frau solle ihren Kopf bedecken, weil sie kein Ebenbild Gottes sei, und er geht dabei so weit, eine Stelle aus einem Paulusbrief regelrecht zu fälschen, indem er einige Worte des Vulgata-Textes austauscht.

Der heilige Paulus habe angeblich den Schleier für die Frauen vorgeschrieben, wenn sie beten.

Hier stellt sich sofort die Frage, wieso dann, wenn das so sein sollte, das Lehramt seit Jahrhunderten darauf keinen gesteigerten Wert gelegt habe? Diese Frage wird in aller Regel damit beantwortet, dass Papst Linus, der zweite Papst, in einem Schreiben, dessen Echtheit umstritten ist, den Frauen einen Gebetsschleier vorgeschrieben habe.

Abgesehen von der Umstrittenheit der Echtheit kommt mir unweigerlich die Frage hoch, seit wann für uns maßgeblich ist, was ein Papst von Anno dazumal vorgeschrieben hat, handelt es sich dabei doch weder um eine Glaubens- noch um eine echte Sittenfrage…ich dachte, niemand dürfe alte Verordnungen („proxima-Regeln“) von Päpsten gegen neuere Gepflogenheiten ausspielen? Ist die „Tradition“ hier etwa anti-traditionell und macht es wie die Progressiven und Protestanten und zieht aus den Tiefen der Kirchengeschichte nebensächliche oder inzwischen aufgegeben Ansichten, die für den Glauben selbst keine Bedeutung haben, oder nicht weiter verfolgte Bräuche aus den Truhe, erklärt sie zu „urchristlichen“ Wahrheiten und will damit die jüngste Tradition (die regula fidei proxima) stürzen?

Ich sehe mir die Stelle im 1. Korintherbrief an und muss gestehen, selten eine auf den ersten Blick so verworrene und in sich unlogische Schriftstelle gelesen zu haben – wenn man sie rein normativ und nicht als eine erörternde Darlegung liest.

Man findet diese einzige themengebundene Schriftstelle (alleine das verweist schon auf die relative Bedeutungslosigkeit des Themas) im Korintherbrief (1. Kor. 11, 2 ff). Ich markiere den Text bereits so farbig, wie ich ihn als eine Erörterung verstehe und werde das genau begründen:

  • 2.[Vers] Ich lobe euch, dass ihr in allem an mich denkt und an den Überlieferungen festhaltet, wie ich sie euch übergeben habe.

  • 3. Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi.

  • 4. Wenn ein Mann betet oder prophetisch redet und dabei sein Haupt bedeckt hat, entehrt er sein Haupt.

  • 5. Eine Frau aber entehrt ihr Haupt, wenn sie betet oder prophetisch redet und dabei ihr Haupt nicht verhüllt. Sie unterscheidet sich dann in keiner Weise von einer Geschorenen.

  • 6. Wenn eine Frau kein Kopftuch trägt, soll sie sich doch gleich die Haare abschneiden lassen. Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen.

  • 7. Der Mann darf sein Haupt nicht verhüllen, weil er Abbild und Abglanz Gottes ist; die Frau aber ist der Abglanz des Mannes.

  • 8. Denn der Mann stammt nicht von der Frau, sondern die Frau vom Mann.

  • 9. Der Mann wurde auch nicht für die Frau geschaffen, sondern die Frau für den Mann.

  • 10. Deswegen soll die Frau mit Rücksicht auf die Engel das Zeichen ihrer Vollmacht auf dem Kopf tragen.1

  • 11. Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.

  • 12. Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott.

  • 13. Urteilt selber! Gehört es sich, dass eine Frau unverhüllt zu Gott betet?

  • 14. Lehrt euch nicht schon die Natur, dass es für den Mann eine Schande,

  • 15. für die Frau aber eine Ehre ist, lange Haare zu tragen? Denn der Frau ist das Haar als Hülle gegeben.

  • 16. Wenn aber einer meint, er müsse darüber streiten: Wir und auch die Gemeinden Gottes kennen einen solchen Brauch nicht.

Diese Stelle ist in der Argumentation, wenn man sie nicht strukturiert liest, mehrfach gebrochen und unlogisch und stünde außerdem im krassen Widerspruch zu allem, was wir über israelitische Normen aus dem Alten Testament wissen – und das kann man gerade beim heiligen Paulus nicht annehmen, denn er war ein Schriftgelehrter:

Die markierten Verse 2+3 kann man als Einleitung verstehen. Der Apostel lobt die korinthische Gemeinde für ihren Eifer, beginnt aber gleich mit dem Thema, das er behandeln will, einer Reihenfolge. Auf den ersten Blick erscheint sie wie eine Hierarchie, auf den zweiten Blick aber muss man innehalten und zugeben, dass in Vers 3 ein Stolperstein steckt, den niemand, ohne häretisch zu argumentieren, außer acht lassen darf (s.u.).

Schon Vers 4 ist merkwürdig und mutet absurd an, wenn man sich vergegenwärtigt, was im damaligen Judentum üblich war und was die Schrift uns im Alten Testament über den Mann und seine Kopfbedeckungen überliefert:

Es war nach jüdischer Auffassung eben gerade KEINE Schande für den Mann, verhüllt zu beten, sondern sogar üblich, dies zu tun – bis heute ist das im Judentum so.

Wir finden durchweg die Kopfverhüllung gerade der heiligsten Männer in Israel, wenn sie mit Gott reden:

Moses muss beim brennenden Dornbusch zwar seine Schuhe ausziehen, aber sein Gesicht verhüllen:

Der Herr sagte: Komm nicht näher heran! Leg deine Schuhe ab; denn der Ort, wo du stehst, ist heiliger Boden. Dann fuhr er fort: Ich bin der Gott deines Vaters, der Gott Abrahams, der Gott Isaaks und der Gott Jakobs. Da verhüllte Mose sein Gesicht; denn er fürchtete sich, Gott anzuschauen.“ (Ex. 3, 5f)

Auch der Prophet Elias verhüllt in der Gottesbegegnung sein Gesicht:

Er verhüllte sein Gesicht mit dem Mantel, ging zum Eingang der Höhle zurück und blieb dort stehen. Und noch einmal wurde er gefragt: Elia, was tust du hier? Wieder antwortete Elia: Ach Herr, du großer und allmächtiger Gott…“ (1. Könige 19, 13f)

Es ist also vollkommen abwegig, zu glauben, der heilige Paulus, der doch ein Schriftgelehrter und Gesetzeslehrer war, könnte entgegen den Vorschriften und Phänomenen so argumentiert haben, wie er es in diesem Vers 4 referiert!

Da die besagte Stelle häufig auch so verstanden wurde, als dürfe der Mann keine langen Haare tragen, möchte ich auch darauf eingehen:

Mehrfach wird im Alten Testament über bartlose und geschorene Männer unter den Heiden ein hartes Urteil gesprochen. Im Gesetz des Moses ist das Abscheren der Haare rundum sogar verboten (daher die sehr langen Schläfenlocken der gläubigen Juden) und der Bart darf nicht gestutzt werden!

Weiterhin war es sogar das Zeichen des Gottgeweihten (Nasiräer), dass er besonders lange Haare trug – als Mann! Und auch von Paulus selbst wird uns berichtet, dass er aufgrund einer solchen zeitlichen Weihe sein Haar lang wachsen ließ (Apg. 18, 18) und es nach dem Ende des Gelübdes in einem rituellen Opfer abscheren und verbrennen ließ. Wohlgemerkt tat er das bereits als Christ.

Die Weihe des Mannes war also nach biblischem Brauch mit langem Haar verbunden. So kennen wir es auch vom Richter Simson und anderen alttestamentlichen Gestalten.

Nun war es im Abendland über Jahrhunderte weg üblich, längere Haare zu tragen und alle möglichen Kopfbedeckungen zu erfinden – für Männer nicht anders als für Frauen. Im Orient, vor allem bei den Arabern, aber auch den Indern, finden wir Schleier auch bei Männern.

Auf dem Grabtuch von Turin, das nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen echt sein muss, sehen wir das Antlitz des Gekreuzigten … mit mindestens schulterlangen Haaren!

Es war dagegen bei den Römern und Griechen, also den Heiden, nicht Sitte, dass Männer lange Haare trugen oder ihren Kopf bedeckten. Eine Auswertung antiker Texte ergab, dass das griechisch-römische Heidentum weitgehend ohne männliche Kopfbedeckung und ohne Langhaarigkeit auskommt, wohingegen Kopfbedeckungen bei Frauen deren hohen sozialen Staus anzeigten, wenn sie überhaupt welche trug. Kopfbedeckung war also hier ein Ausdruck weiblicher Eitelkeit und eine Demonstration des Reichtums, kombiniert mit Haarschmuck und Frisurenkult. Letzteres erfährt an anderer Stelle beim heiligen Petrus eine Absage (1. Petrus 3,3).

Wir können also schon hier fragen, ob der heilige Paulus nicht auch eine heidnische Position referieren könnte, etwa so, wie auch der heilige Thomas von Aquin Meinungen vorträgt, denen er aber nicht zustimmt, sondern nach ihrer Darstellung mit triftigen Gründen etwas entgegenhält. Immerhin ist die Korinthergemeinde eine Gemeinde im Gebiet des Heiden mit einer überspannten charismatisch-esoterischen Schlagseite!

Auch die folgenden Verse (Verse 5 – 10) scheinen wie aus einer anderen Denkwelt zu kommen. Im Judentum war und ist es, wie gesagt, für den Mann üblich, beim Beten das Haupt zu verhüllen. Die Frau dagegen war in der öffentlichen Synagogenversammlung erst gar nicht zum Beten oder Prophetischreden zugelassen… sollte aber auch ihr Haupt verhüllen – nicht anders als der Mann.

Bemerkenswert ist hier bei Paulus eher, dass überhaupt die Frau ganz selbstverständlich öffentlich in der Kirche beten und weissagen darf wie ein Mann! Es wird der Frau gerade nicht abverlangt, dass sie in der Kirche zu schweigen habe.

Es findet sich aber im gesamten Gesetz des Moses nicht eine einzige Anweisung über eine Kopfbedeckung der Frau.

Schleier werden in durchaus zweifelhaften Umständen erzählt. So wird z.B. berichtet, dass Prostituierte an ihrer Verschleierung erkennbar waren. Über Jakobs Sohn Juda wird in der Begegnung mit Tamar berichtet:

Juda sah sie und hielt sie für eine Dirne; sie hatte nämlich ihr Gesicht verhüllt.“ (Gen. 38, 15)

Eine alltägliche Bekleidung der Frauen und Männer mit Tüchern war ansonsten sicher nicht unüblich (was bis heute im Orient gilt), etwa so wie auch heute noch in Indien, allerdings ohne „Ideologie“, sondern als variantionsreicher Brauch.

Die Argumentation hinsichtlich der unverschleierten Frau ist ins sich verworren: eine Frau, die sich nicht verschleiert, soll die Haare abschneiden, weil sie „wie“ eine Frau mit geschorenen Haaren sei?

Viele Theorien über die Entehrung der Frau durch Abscheren der Haare in der Antike wurden schon vorgebracht – keine davon ist je eindeutig bewiesen worden. Aber selbst wenn es so wäre, müsste man fragen, wie es kommt, dass die hartnäckigen Schleierverfechter offenbar kein Problem damit haben, wenn die Katholikin sich seit 1950 das Haar abschert, obwohl weibliche Kurzhaarfrisuren nun tatsächlich in älterer Zeit überall in der Kirche undenkbar waren?! Nicht der Schleier, sondern langes Haar der Laiin ist wirklich „Tradition“ in der gesamten Kirche gewesen!

Der rigide Satz aus Vers 5 „Ist es aber für eine Frau eine Schande, sich die Haare abschneiden oder sich kahl scheren zu lassen, dann soll sie sich auch verhüllen“ ist beim besten Willen nicht logisch verstehbar. Wieso folgt aus der Tatsache, dass es eine Schande für die Frau sei, sich die Haare zu schneiden, logisch, dass sie sich dann zusätzlich noch einmal verhüllen soll? Ist das Haarescheren ein Zeichen der Unehrenhaftigkeit – was bedeutet es, wenn die Frau doch ohnehin einen Schleier trägt und niemand sehen kann, ob sie Haare hat oder keine? Wenn aber der Schleier nach alttestamentlicher Sitte die Prostituierte anzeigen sollte, wieso soll die Frau, wenn sie sich die Haare nicht abgeschnitten hat, also nicht entehrt ist, dann dieses Zeichen der Entehrung tragen?

Der Satz klingt in der Sache wirr und überspannt und man muss esoterische Denkwelten bemühen, um hier einen Sinn zu kreieren. Das aber passt nicht zum nüchternen Duktus der Heiligen Schrift… Und dies immer vor dem Hintergrund, dass das gesamte Alte Testament nicht ein Wort zu dieser Frage vermeldet, also objektiv keine von Gott gebotene Norm vorliegt.

Der heilige Paulus, der sonst so klar und plausibel, so tief und logisch argumentiert, und sich vor allem nie mit solch eher magischen und nebensächlichen Themen beschäftigt, soll einen solchen Satz als seine Position vorgetragen haben?

Ich vermag das nicht zu glauben. Eher nehme ich an, dass er hier, wie bei Vers 4, eine Position aufgreift, die in der ohnehin schwärmerischen und geistlich hochmütigen charismatischen Korinthergemeinde für Wirbel gesorgt haben könnte. Die überspannte Kopftuchdebatte passte gut in einen charismatischen Kontext.

Besonders krass wirken die aufgelisteten Sätze von Vers 7-10. Diese Sätze besagen, das Kopftuch müsse der Engelwelt beweisen, dass die Frau die Vollmacht habe, überhaupt – wie der Mann – öffentlich zu beten und zu weissagen. Und das alles sei ja auch richtig so, weil die Frau schließlich als Zweite und für den Mann geschaffen worden sei. Diese Sätze sind von der reinen Natur her gedacht und scheinen keinerlei Bewusstsein dafür zu haben, dass der Gnadenstand dem Menschen nicht aufgrund seiner Natur gegeben wird, sondern alleine aufgrund der Liebe Gottes. Denn die Legitimation zum öffentlichen Gebet in der Kirche hat die Frau nicht durch ein Kleidungsstück oder entgegen einer minderwertigen  „nachrangigen Natur“, sondern durch Gott alleine, der sie erlöst hat. Da im Alten Bund sich auch der Mann verhüllt hat, greift die Argumentation ohnehin nicht. Hinzu kommt, dass im Alten Testament auch Frauen mit Gott reden, ohne dass dies in irgendeiner Weise problematisiert oder mit anderen äußeren Reaktionen verbunden wäre als beim Mann. Es ist immer eine Gnade, wenn Gott sich dem Menschen zuwendet, unverdient und nicht einer natürlichen Ausstattung geschuldet!

Der Bezug auf die Engel ist unverständlich. Es gibt keine kanonische Tradition, die den Bezug erklären könnte. Man muss daher diese Argumentation als in der Tendenz abergläubische, magische Denkart auffassen, was wiederum gut zum Charismatismus dieser Gemeinde passen dürfte.

Wir erinnern uns: der heilige Paulus hat oben in Vers 3 gewissermaßen eine Überschrift über das, was folgt, gesetzt:

Ihr sollt aber wissen, dass Christus das Haupt des Mannes ist, der Mann das Haupt der Frau und Gott das Haupt Christi..“

Nur ein oberflächlicher, esoterisch denkender und frauenkritischer Leser kann darin eine Rangfolge („Emanation“) erkennen, wie sie dann in den Versen 7-10 dargelegt wird. Der Völkerapostel referiert zu Beginn die wahre Lehre und danach ihre Verzerrung und falsche Schlussfolgerungen.

Ich will den Lesefehler der Korinther aufzeigen, den er wahrscheinlich meint. Seine Argumentation später ab Vers 11 unterstützt meine Interpretation, dass er einen Lesefehler aufzeigen will. Ich werde darauf zurückkommen.

Lesen wir den Vers 3 einmal von hinten:

Gott (der Vater) ist das Haupt Christi (des Sohnes).

Christus ist das Haupt des Mannes.

Der Mann ist das Haupt der Frau.

Kann man aus dieser Reihenfolge eine Rangfolge (Emanation) immer weiter subordinierter Wesen ableiten? Also in dem Sinn:

Die Frau ist dem Mann subordiniert.

Der Mann ist Christus subordiniert.

Christus ist dem Vater subordiniert.“?

Jedem echten und nüchternen Katholiken muss hier der Atem stocken – nein!

Es ist häretisch und blasphemisch, so etwas auch nur im Ansatz in Erwägung zu ziehen!

Man würde einer arianischen Position folgen!

Wenn aber Christus dem Vater nicht subordiniert ist, was heißt dann, dass Gott das „Haupt Christi“ sei? Es heißt einfach nur, dass der Vater das Prinzip des Sohnes ist, weil der Sohn aus dem Vater geboren ist. Aber er steht nicht „unter“ ihm! Folgt man dieser Reihe weiter, ergibt sich, dass der Mann (als der erste der beiden Ur-Menschen) durch Christus geschaffen wurde bei der Schöpfung, denn es heißt, durch Christus sei alles geschaffen worden. Die Frau als zweite wiederum wurde aus dem Mann genommen, dies allerdings durch Gott und nicht durch den Mann selbst. Insofern ist zwar die Frau ebenfalls im Ursprung durch Christus geschaffen, aber nicht unmittelbar, sondern mittelbar wiederum aus dem Prinzip des Mannes, das zuvor schon geschaffen war, jedoch ohne dessen Zutun oder Macht über die Frau.

Das Haupt-Sein kann hier um Christi willen keine Subordination bedeuten. Denn andernfalls müsste man behaupten, er sei dem Vater als seinem Haupt„untergeordnet“, was wie gesagt eine Lästerung wäre. Und da man in dieser Reihenfolge einen identischen und nicht wankelmütigen Gebrauch des Begriffes „Haupt“ annehmen muss, kann er nicht beinhalten, dass die Frau dem Mann subordiniert ist, ja, sogar eine Subordination des Mannes unter Christus wird hier nicht ausgesprochen, sondern im Gegenteil die „Vergöttlichung“ des Menschen, die Christus uns möglich gemacht hat, wird hier dargelegt. Welch eine Gnade für uns alle!

Volo autem vos scire…“, schreibt der heilige Paulus zu Beginn: „Ich will, dass ihr das wisst…“ Und „das“, das zu Wissende, ist die Herkunft aller aus dem Vater und nicht, wie er in Vers 7-9 suggeriert, der rein natürlich behauptete und überspannte „Vorrang“ des Mannes vor der Frau!

Gegen die These des Verses 7 spricht auch, dass in der Genesis die Frau eindeutig als Ebenbild Gottes bezeichnet wird, und dies ohne irgendeinen Abstrich. Das Decretum Gratiani hat diese Stelle nämlich insofern missbraucht, als es behauptet, die Frau sei nicht Ebenbild Gottes und müsse sich darum verschleiern. Wir müssen erkennen, dass auch die pseudokatholische Schleierdebatte sehr wohl der Intention des islamischen Schleiers entspricht, was aber deren Verfechter immer empört bestreiten. Man darf ihnen hier Unwissenheit unterstellen. Mit dieser Argumentation stellt sich Gratian in Widerspruch zur Genesis und legt somit eine häretische Äußerung dar, die später stillschweigend irgendwann unter den Tisch gefallen ist.

Das Decretum Gratiani macht aber andererseits verständlich, auf welche häretische und verzerrte Sicht sich schon der Apostel Paulus damals bezogen haben könnte – nämlich eine arianische Deutung des Geschlechterverhältnisses, das dem heidnischen, aber auch dem jüdischen Menschen so selbstverständlich erschien, dass selbst bei den Kirchenvätern Anleihen an dieses Denken auffindbar sind. Der antike Mensch konnte sich schlicht nicht vorstellen, dass die Frau NICHT nur ein schwacher Abglanz des Mannes sein könnte!

Erst die Reflexion über die Gottesmutter und ihre alle Menschen, sogar die Apostel, überragende Stellung, hat allmählich und sehr langsam diese Herabwürdigung der Frau aufbrechen und teilweise heilen können.

Und nun hören wir den Völkerapostel doch einmal aus dieser Sicht, die ich vorgetragen habe, an. Wie ein Befreiungsschlag klingt seine nun folgende Gedankenführung in Vers 11+12:

Doch im Herrn gibt es weder die Frau ohne den Mann noch den Mann ohne die Frau.

Denn wie die Frau vom Mann stammt, so kommt der Mann durch die Frau zur Welt; alles aber stammt von Gott.“

Hören wir es nicht? Mit der angeblichen Schöpfungshierarchie kann man doch ausdrücklich laut Paulus eben nicht argumentieren! Nichts anderes sagt uns doch der Apostel: Im Herrn – und sind wir denn nicht „im Herrn“? sind wir noch Heiden? oder Juden? – im Herrn sind wir allesamt nichts ohne einander! Und kommen nicht alle Menschen vornehmlich aus der Frau und nur in schwächerer Weise (aufgrund der fehlenden leiblichen Einheit mit dem Kind) aus dem Mann? Kam nicht sogar, will man hinzusetzen, sogar der Sohn durch eine Frau und eben nicht aus dem Willen des Mannes oder seines Fleisches ins Menschsein?

Vers 13 klingt auf Lateinisch anders als in der Einheitsübersetzung:

In vobis ipsi iudicate: Decet mulierem non velatam orare Deum?“

Deutsch übersetzt heißt das: „Urteilt in euch selbst: darf eine Frau unverhüllt zu Gott beten?“

Der heilige Paulus gibt auf diese Frage keine Antwort!

Und weiter der Vers 14 auf Lateinisch:

Nec ipsa natura docet vos quod vir quidem, si comam nutriat, ignominia est illi; mulier vero, si comam nutriat, gloria est illi?»

Deutsch und wörtlich: «Und lehrt euch denn die Natur selbst, dass dem Mann, der sein Haar bedeckt, dies zur Schande gereicht; dass aber der Frau, die ihr Haar bedeckt, dies zum Ruhm gereicht?“

Vielfach wird übersehen, dass der heilige Paulus hier nicht etwa ein göttliches Gesetz bemüht, oder gar das Gesetz des Moses, sondern die „Natur“. „Natura docet“, die Natur lehrt? fragt er.

Wenn wir nüchtern denken, müssen wir zugeben, dass die „Natur“ hier gar nichts „lehrt“, zumal gerade, wie ganz oben nachgewiesen, der Mann nach dem jüdischen Gesetz sogar die Vorschrift hat, sich beim öffentlichen Beten zu bedecken.

Uns bleibt nichts, als festzustellen, dass es in Israel eine gesetzliche Vorschrift für den Mann gab. Die Frau betet ohnehin nicht in der Synagoge oder im Tempel öffentlich. Das ist bis heute so, und die liberalen Jüdinnen, die sich inzwischen das Recht erkämpft haben, an der Klagemauer doch öffentlich zu beten, benutzen dazu denselben Gebetsschleier, den sonst nur die Männer benutzen dürfen.

Die „Natur lehrt“ über solche Ordnungen nichts, was man objektiv nachvollziehen könnte – zu unterschiedlich sind die Sitten der Völker, zu unterschiedlich die klimatischen Bedingungen, als dass man hier etwas Verlässliches sagen dürfte. Es wäre unnüchterne und magische Denkart.

Bleibt nur ein Schluss: Es gibt das jüdische Gesetz und Bräuche, die hier so und anderswo wieder anders sind. Die Natur sagt uns dazu schlicht nichts Verbindliches.

Der heilige Paulus fragt und antwortet nicht, überlässt dem Leser, nachzudenken und eine Antwort zu finden.

Am Ende von Vers 15, der über eine angebliche, „natürliche“ Notwendigkeit der Frau zur Verschleierung beim Beten spricht, lässt er diese ganze abwegige und magische Natur-Frage wie ein Kartenhaus in sich zusammenstürzen, denn ihn „lehrt“ die „Natur“ offenbar nur eines:

Quoniam coma pro velamine ei data est.“ Deutsch und wörtlich: „Das Haar ist ihr doch als Schleier (besser: „Hülle“ oder „Decke“) gegeben!“

Und hat er nicht recht?

Ist der Frau nicht im Allgemeinen „von der Natur“ („Natura docet…“) besonders reiches Haupthaar gegeben, das sie tatsächlich weltweit fast durchweg, egal in welcher Kultur, lang trägt? Wenn die „Natur“ irgendetwas „lehrt“, dann eben dieses Faktum.

Ich möchte noch einmal fragen, wie es kommen kann, dass all diese ach so traditionalistischen Frauen (und ihre männlichen Antreiber) sich wacker diese reiche, gottgegebene „Decke“ abschneiden, dafür aber umso mehr nun den heidnischen Schleier propagieren und daran auch noch ihre zur Schau gestellte, so fromm zur Schau gestellte „Subordination“ knüpfen, der doch der Apostel eine Absage erteilt in seinen Ausführungen! Der heilige Paulus spricht zwar an anderen Stellen von Unterordnung, dies aber nie einseitig zu Lasten der Frau! Sein Tenor ist nach Epheser 5 die gegenseitige Unterordnung aller! Er setzt die Stärke und Würdigung der Frau bei all seinen Aussagen voraus. Vielleicht sogar ihre besondere Stärke, die sie um des Mannes willen gelegentlich doch zurücknehmen soll, um ihn nicht im Glauben zu behindern – dies aber freiwillig und ohne verbissenen Druck von außen.

Feste Kleidervorschriften kennt das Alte Testament und ebenso die Kirche nur im Bezug auf liturgische, priesterliche Gewänder bzw. Ordenskleidung. Alltägliche Kleiderordnungen des Volkes sind dagegen wandelbare Konventionen und Gebräuche. Der Schlusssatz der Stelle spricht davon, dass der Apostel das Thema offenbar nicht für wert hält, so überspannt zu werden:

Si quis autem videtur contentiosus esse, nos talem consuetudinem non habemus, neque ecclesiae Dei.»

Deutsch und wörtlich: «Wenn einer deswegen meint, streiten zu sollen : wir haben einen solchen Brauch nicht, auch nicht die Kirche Gottes.“

Es ist übrigens abwegig, das „Um etwas streiten“ für den „Brauch“ zu halten, von dem der Apostel spricht:

church-450
Andächtig geht auch ohne Spitze auf dem Kopf

Erstens hat die Kirche von Anfang an eine Diskussionskultur gehabt und zweitens würde man eine solche nicht einen „Brauch“ nennen.

Mit dem „Brauch“ kann hier sinnvoll nur eines gemeint sein: überspannte Bräuche über Schleier, männliche Barhäupte und andere rein äußerliche Gepflogenheiten, die mit einer geradezu esoterischen Bedeutung versehen werden – das ist dem katholischen Denken nicht nur fremd, sondern sogar untersagt. Wir sollen nicht magisch denken!

Und das passt auch wieder zu Paulus: Wir haben keine Kleiderbräuche, außer die, dass wir sittsam gekleidet sind, Mann wie Frau. Zwar schrieb der CIC von 1917 der Frau und dem Mann sittsame Kleidung und ihr dabei auch irgendeine Kopfbedeckung vor, dem Mann dagegen Barhäuptigkeit, schränkte dies aber ein, falls eine andere Sitte vorliegen sollte.

Fortsetzung folgt.

Teil 2:

  • Das Decretum Gratiani, die Aberkennung der Gottebenbildlichkeit der Frau und der Schleier

  • Haar“sträubende Gründe für die „Mantilla“

Teil 3:

  • Die Mantilla führt zu einer unguten und pseudo-liturgischen Beschäftigung der Frau mit sich selbst

  • Der heilige Paulus und die heilige Agnes

Hanna Maria Jüngling ist Musikerin (Geigerin), Schriftstellerin/Publizistin und Künstlerin. Sie ist im Bereich der Experimentalmusik, der freien Improvisation und der Avantgarde-Musik tätig. Unter ihren Kompositionen ist für Katholiken die „Via crucis“ interessant, 14 Improvisationen vor den einzelnen Kreuzwegstationen. Die Texte auf ihrem Blog, sind Ausschnitte aus einem umfangreichen Manuskript zur Frauenfrage in der Kirche und im Abendland. Das Buchprojekt behandelt in historischer, philosophischer und theologischer Perspektive das Geheimnis des „Ebenbildes Gottes“; ein Mysterium, wie es in der Heilsgeschichte tiefer nicht sein könnte und welches sich nicht zu letzt in der in der Problematik „der Frau“ (in Wahrheit des Menschen insgesamt) manifestiert. 

13 Kommentare

  1. Dieser Artikel beginnt schon dermaßen falsch, dass man den Rest dieses lächerlichen Versuchs eines Artikels gar nicht mehr zu lesen braucht. Die Autorin scheint sich absolut nicht informiert und keine Ahnung zu haben wovon sie spricht. Auch im deutschsprachigen Raum wurden Kopftücher und Hauben getragen oder auch Hüte, dass keiner die Mantilla zu kennen scheint, liegt einzig und allein am Begriff. Erstaunlich aber, wie man diese ablehnende und aggressive Meinung dann auch noch auf einen dreiteiligen Artikel strecken kann.

  2. Im obigen Artikel geht die Schreiberin an 1. Kor. 11 so heran, als könne man freiweg diskutieren. Die Lehre der Kirche und explizit auch des Katechismus besagt, dass die Bibel von Gott eingegeben ist. Das bezeugt die Bibel auch selbst: Alles Schrift ist von Gott eingegeben. Da ich früher ähnliche Gedanken hatte, wie im Artikel beschrieben, kann ich die Verfasserin des Artikels verstehen, doch man muss zuerst eines sehen: Die Eingebungen des Heiligen Geistes sind kein Schmarrn, sondern heilig. Versuche einmal, das Kapitel des Kor.briefes von einer anderen Seite, mit einer anderen „Brille“ zu lesen. Paulus selbst beschreibt im Römerbrief 9, dass Jesus der wahre Gott ist. Also ist das schon mal schlüssig. Das Haupt von jemandem zu sein hat nichts mit Macht im menschlichen Sinne zu tun. Der Mensch braucht ein „Haupt“, das ist Christus. — die erwähnte Kopfbedeckung von der Hure ist eine Seite, Rebekka aber bedeckte anständig ihr Haupt, als sich Isaak nahte. 1.Mose. Bis vor ca. 70, 80 Jahren war es überall üblich, dass Frauen mit Kopfbedeckung zur Kirche oder auf die Straße gingen. Zuletzt war es wohl nicht ein Mantilla, aber alle Katholiken hierzulande kennen sehr wohl noch das alte Kopftuch. Das ist nicht zu leugnen. In jüngster Vergangenheit mutierte eine Kopfbedeckung zu einem modischen Hütchen. Der Schleier der Nonnen, die Kopfbedeckung der Amisch, die Ostkirche…. Die uralten Bilder, die Bilder der letzten 2000 Jahre…. Frauen liefen nicht ohne Kopfbedeckung. ———– Ferner Paulus, der sagt, er kenne so einen Brauch nicht. Grammatikalisch bezieht er sich hier auf das Streiten. Und er kannte keine andere Sitte als dass gläubige Jüdinnen und Messiasgläubige (Frauen) die Kopfbedeckung trugen. Warum kannte er keine andere Sitte… Er war Schriftgelehrter und in den jüdischen, außerbiblischen Schriften war dies ebenfalls verbrieft. Das ist Fakt. Die Natur zieht er hier als Vergleich heran, obgleich es stimmt, dass auch Männer längere Haare hatten, doch niemals war das übliche Praxis, dass Männer so lange Haare trugen wie Frauen. Das Gelübde der Nasiräer ist nicht bindend als Fundament für alle (Männer). Im Unterschied zum Islam ist die aktiv angelegte Kopfbedeckung (wovon die Rede ist, nicht das passiv gewachsene lange Haar) ein Zeichen für die Engel. Da kann jetzt wieder alle Welt spotten…. Und Gott gibt keinen weiteren Grund an. Er diskutiert nicht, Er möchte, dass wir Sein Wort als Sein Wort lesen. Im SELBEN Kapitel geht es um die Eucharistie. ———– Man kann nicht sagen, mit 2. Tim. 3.16, Alle Schrift ist eingegeben und nützlich zur Lehre. Und dann wiederum, was einem nicht gefällt als Menschenwort zerpflücken. Man kann. Aber es ist befreiend, den Schatz darin zu entdecken. ———– Eine Kopfbedeckung zu tragen, ohne dass das Herz es will, ist sicher nicht dran. Aber wer das von Herzen sehen kann, der/die entdeckt etwas, das eine weitere Nähe zum Herrn aufzeigt. Nicht, dass das Kopftuchtragen eine Frau heiliger macht…. Nein. Aber obiger Artikel erhebt sich einfach über das Wort Gottes, man bewertet es sachlich, menschlich… Doch es gibt eine andere Seite der Medaille. Ein Auferzwingen des Kopftuchs würde ich nicht befürworten, denn es nützt nichts. Es darf aber mit offenem Herzen betrachtet werden, das Thema. Der Heilige Geist hat den Schreiber des Korintherbriefs inspiriert, es sind eben NICHT menschliche Gedanken.

  3. Das Tragen einer Kopfbedeckung (in den deutschen Diaspora-Gemeinden ist dies meist eine Mantilla) ist bei unseren syrisch-orthodoxen Glaubensschwestern übrigens Usus. Man verstehe mich nicht falsch, es handelt sich durchweg um chic gekleidete, modebewusste Damen, die ihren Glauben mit einer Selbstverständlichkeit und positiven Ausstrahlung leben, die ich in mancher katholischen Gemeinde vermisse (wobei hier die geistige Zugehörigkeit jenseits oder diesseits des 2. Vatikanums keine wirkliche Rolle spielt. Kleingeistige Seelen gibt es auf beiden Seiten).
    Das Tragen einer Mantilla kann man also unter dem Aspekt der Ökumene recht positiv sehen.

    Leider leider ist das Thema Kopfbedeckung für die Damen unter uns Katholiken sehr ungesund ideologiebehaftet.

  4. Ich gebe allerdings bei der hier gegen den Schleier vorgebrachten Kritik zu bedenken, dass bis dato bei Ordensfrauen das Tragen eines Schleiers Usus ist und bis in die jüngere Zeit sogar das Abschneiden der Haupthaare.

  5. Nun: ein Mantilla-Wahn ist nicht vorhanden. Ist schlichtweg nicht vorhanden.

    Es mag bezeichnend genug sein, daß zu etwas, was tatsächlich der alte CIC vorschrieb und zumindest für Otto Normalleser auch der hl. Paulus vorschreibt (vielleicht komme ich noch drauf), auch im traditionalistischen Milieu nicht der geringste Druck ausgeübt wird, aber es ist jedenfalls so. Eine „penetrante Propaganda“, ein „Stellvertreterkrieg“, ein „den Frauen einflößen, ihre bisherige Aufmachung sei nicht traditionell genug“ findet nicht statt. Findet schlichtweg nicht statt.

    Es gibt nur Leute, die die Frauen, die eine Mantilla tragen, dafür angreifen, und Mantillaträgerinnen, die sich dann wehren; und dabei vielleicht auch ein paar Zentimeter übers Ziel hinausschießen, wer könnte das nicht verstehen.

    (Nein, mit der Pius-V-Bruderschaft und ähnlichen Exzentrikern kenne ich mich nicht aus.)

    Die Aussage, Christus sei dem Vater subordiniert – wir ergänzen eilig: secundum humanitatem, versteht sich – macht übrigens kein geringerer als Christus selbst, gemäß Johannesevangelium („der Vater ist größer als ich“); mit Arianismus hat das nichts zu tun.

    Und was Paulus betrifft, bevor ich vielleicht noch ausführlicher auf Ihre Auslegung dazu eingehe: es ist richtig, daß in der jüdischen Tradition von Männern verhüllt gebetet wurde. Gerade deswegen ist es umso bezeichnender, daß bis heute in der ganzen Christenheit bis in die häretischsten Randgruppen hinein von Männern zum Gebet (übrigens wohl per Analogie dazu dann auch als Respektsbezeigung gegenüber Autoritäten) der Hut abgenommen wird (sofern einer getragen wird). Man wird darin wohl eine fundamentale Wende sehen müssen, die mit der Erlösung bzw. dadurch, daß nun ein Glied am Leibe Christi betet, eingetreten ist.

    • Bemerkung, bevor wir uns an einem Detail aufhängen: natürlich schrieb wirklich niemand jemals *die Mantilla* vor, das behauptet aber auch nun wirklich überhaupt keiner. Selbst die sehr leise Diskussion, die aber wirklich nicht so penetrant ist, wie Sie sie anscheinend empfinden, oder etwa die (spätestens 1983 als verpflichtend abrogierte, aber dem einen und der anderen nicht illegitim als Empfehlung geltende) Regel des alten Kirchenrechts geht nur um die Frage *irgendeiner Kopfbedeckung*.

    • Wie „temerär“ der Hinweis des „secundum humanitatem“ über die Situation hinaus, in der Jesus dies sagte, können Sie hier sehen: https://www.youtube.com/watch?v=xf3-OzDZEac

      Punktgenau geschieht das, was ich meine: man missbraucht die Aussage Jesu an der Stelle, um eine ontologische Hierarchie zwischen ihm und dem Vater zu behaupten.

      In dem Link sehen Sie auch den Rest der Johannes-Stelle…

      Als Paulus schrieb, war der Herr jedoch längst wieder beim Vater.
      Ihr Hinweis ist also im sachlichen Zusammenhang meines Textes folglich gerade nicht zielführend.

  6. Also, zunächst mal, Kompliment für den ausführlichen Kommentar zur Renaissance des Kommunionschleiers. So heißt das Teilchen nämlich auf Deutsch. Warum Sie auf die ganze Sache überhaupt so gereizt reagieren, entzieht sich meinem Verständnis, aber ich möchte dennoch eine kurze Erwiderung versuchen, die selbstverständlich keinerlei Anspruch auf Vollständigkeit erhebt.

    1. Zu Ihrem Hauptargument, dass hier eine „Tradition“ künstlich belebt wird, die es in unseren, deutschen Landen so nie gegeben habe und das nur zum Zwecke der Unterdrückung der Frauen und um „normalen“ Katholiken ein schlechtes Gewissen einzureden.
    Ich weiß nicht, wo und vor allem wieviele Zeitzeugen Sie befragt haben, aber den Brauch, dass ein Mann in einer Kirche seinen Hut abzunehmen hat, eine Frau jedoch ihre Kopfgedeckung aufbehalten darf, wird auch diesen Personen noch geläufig sein. Mit dem Verschwinden der Hutmode ist auch dieser Brauch selbstverständlich zurück gegangen. Natürlich kommt das Spitzentüchlein, also die Original-Mantilla, aus dem iberischen Raum. Aber auch im deutschen Sprachraum trugen Frauen noch bis vor wenigen Jahrzehnten Kopfbedeckungen, was die oft kunstvoll verzierten Hüte zahlreicher Trachten beweisen. Und eben diese Hüte (oder auch Kopftücher bei den ärmeren Frauen) blieben auch in den Gotteshäusern auf den Häuptern der Trägerinnen.
    2. Ihre Interpretation des guten alten Paulus finde ich, gelinde gesagt, mutig. Ich kann Ihr Bemühen verstehen, Ihr Anliegen von der Heiligen Schrift gestützt zu wissen, dennoch sollte man bei dem Gegeneinander-ausspielen von Perikopen vorsichtig sein, mithin wenn man einem der Apostel aus der heutigen Perspektive schnöden Irrtum unterstellt. Überhaupt sind Sie recht schnell mit der Häresie-, ja sogar Blasphemiekeule zur Hand und bedienen sich des Winkelzugs, dem vermeintlichen Gegner die Katholizität, oder den Glauben im Ganzen, abzusprechen. Ach ja, in diesem Zusammenhang noch ein Hinweis: Ist die Sprache des Artikels bewusst stellenweise so tendenziös geraten? Ich sage nur „Wahn“ in der Überschrift.
    3. Als ich den Kommunionschleier (früher trugen auch Erstkommunikantinnen einen langen weißen Schleier und sahen noch viel mehr wie kleine Bräute aus als heute. Fotobeweis meiner Großmutter) und seine Vorteile für mich entdeckte, war dies eine ganz persönliche Entscheidung. Ich hätte sie nie auch nur mit einem Wort kommentiert, wenn ich nicht von verschiedener Seite deswegen angefeindet worden wäre. Dabei wurde mir seltsamerweise immer jenes Argument unterstellt, dass auch Ihren Artikel durchzieht, dass ich mich nämlich als etwas „Besseres fühlen würde“ bzw. „den Anderen wohl ein schlechtes Gewissen machen wolle“. Nichts liegt mir ferner! Es ist meine persönliche Entscheidung. Diese Tuch hilft mir bei Sammlung im Gebet. Ich würde nie jemanden vorschreiben, wie und mit welchen HIlfsmitteln er oder sie mit dem Herrgott kommuniziert. Unter anderem aus diesem Grund sitze ich übrigens bevorzugt in den hintersten Bänken in der Kirche. Sie müssten also schon Augen im HInterkopf haben, sollten Sie sich an meinem Anblick stören wollen.

  7. Wirklich ein sehr interessanter Artikel. Vielleicht ein wenig zu hart und abrechnend – von einem Mantilla-„Wahn“ habe ich nämlich noch nie etwas bemerken können. Warum also solch harte Worte, bei einer Sache, die sowieso am aussterben ist? Und den Brauch der Wenigen, welche das Kopftuch aus Überzeugung und sicher guter Motivation tragen, als „überspannt“ und „esoterisch anmutend“ zu „beschimpfen“, halte ich für ungerecht. Soweit ich weiß, war die Kopfbedeckung auch in Deutschland vorgeschrieben. Die Frauen sind eben alle mit Kopftüchern oder Hüten in die Kirche gegangen, wobei ich die Mantilla in der heutigen Zeit wesentlich kleidsamer finde. Übrigens war es bis in die Neuzeit hinein auch im Alltag in vielen Gegenden Brauch, das Frauen Kopftücher trugen, vorallem in bäuerlichen Kreisen. Die Motivation dahinter mag in der heutigen Zeit kritisch betrachtet werden – wie es in diesem Artikel schön gemacht wurde. So finde ich es trotz der harten Worte spannend, einmal die Gegenposition kennen zu lernen – von dieser hört man ja sonst nichts. Ich freue mich auf die nächsten Artikel!

    • Ja, das Problem des Mantilla-Wahns findet man typischerweise wieder einmal vor allem in den traditionalistischen Grüppchen (wie bspw. FSSPX), wenn man sich also vernünftigerweise von diesen Leuten fernhält, wird einem dieser Wahn in den „normal“-katholischen Gemeinden nicht begegnen und klar, dass man davon dann nichts mitbekommt.

    • Hallo Cathgirl,
      dazu muss ich aber die Anmerkung machen, dass ich die Jugend der Piusbruderschaft bereits kennen lernen durfte, und selbst dort in der Messe nur wenig Mädchen Mantillas trugen. Also selbst dort kein „Wahn“… Ich kenne die Szene nicht genau genug, um wirklich einen „Mantilla-Wahn“ widerlegen zu können, aber vielleicht ist dieser Vorwurf auch nur ein Vorurteil gegenüber der Bruderschaft von Leuten, die eben sonst nichts mit den Leuten zu tun haben.
      Liebe Grüße

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