Donnerstag, 28. März 2024

Christliche Reinheit in der Bewährung – Teil 4

Die allgemeine Problematisierung

In der ersten Hälfte unserer Betrachtung der christlichen Reinheit und ihrer Bewährung im 21. Jahrhundert haben wir zwei mutige Lebenszeugnisse von jeweils einem weiblichen und einem männlichen Mitglied der KJB betrachtet.

Nun wollen wir ausgehend von diesen Zeugnissen, aber auch über sie hinausgehend, diese mehr subjektiv geprägte Ebene verlassen und uns Gedanken darüber machen, was wichtig ist, um das Ringen um ein Leben in christlicher Reinheit heutzutage auf einer profunden und gesunden Grundlage anzugehen. Darüber sprachen wir mit Markus Hoffmann, dem Vorsitzenden von wüstenstrom e.V., eines Vereins, der es sich zum Ziel gesetzt hat, Menschen auf ihrem Weg zu einer bewussten Persönlichkeit zu begleiten. Die Arbeit des Vereins basiert auf dem christlichen Menschenbild und umfasst auch individuelle Fragen der sexuellen Identität.

Markus Hoffmann
Markus Hoffmann

Markus Hoffmann legt in diesem Interview dar, welcher psychologische Mechanismus auch viele Christen in Verhaltensmustern steckenbleiben lässt, die die Moraltheologie als sündhaft einordnet: „Wenn ich mich gegenüber einer Lebensfrage ohnmächtig fühle, dann greife ich ‚allmächtig‘ zu einer sexuellen Inszenierung, nach einem erotisch aufgeladenen, pornografischen Rollenspiel, und löse mein Problem auf illusionäre Weise.“ Als möglichen Beginn einer Lösung rät er: „Will man aus einem solchen Kreislauf ausbrechen, so muss man wieder lernen, seinen Alltag zu beobachten. Man muss den Blick für die Dinge zurückgewinnen, die einem nicht gelingen, die einen frustrieren oder die wie ein Berg vor einem stehen. Das schafft man aber nur, wenn man sich der sexuellen Scheinlösung enthält. Kommt der Blick für die eigentlichen Probleme zurück, die hinter dem sexuellen ‚Druck‘ stehen, dann ist es weise, einen Seelenführer oder Berater aufzusuchen, der einem hilft, sich diesen Problemen zu stellen.“

Lieber Markus, eine herausfordernde Aussage zu Beginn, auf die ich dich bitte, einzugehen: „Für Christen ist Sexualität ein notwendiges Übel. Selig, wer seine Triebe unter Kontrolle hat!“

Der Satz weist theologisch sicher in die richtige Richtung, er ist aber in sich schwierig, da es nicht den sexuellen Trieb im Menschen gibt. Dieser Trieb ist eine Erfindung von uns Menschen. Einen wissenschaftlichen Beweis eines Sexualtriebs gibt es nicht. Vielmehr fließen in die Sexualität des Menschen oft nicht-sexuelle Themen, Bedürfnisse und Stimmungslagen ein, die nach einer „sexuellen Lösung“ suchen. Das geschieht vor allem dann, wenn der Mensch keine guten und erfüllenden Beziehungen lebt, in denen er sich zuhause oder geliebt fühlt. Oder wenn er mit Fragen seiner Persönlichkeit ringt, die er dann nicht lösen kann. So enttarnt die Sexualwissenschaft den sogenannten sexuellen Trieb gern mit dem Satz: „Es ist weniger Sex im Sex als man denkt!“

Demzufolge müsste der Satz anders lauten: „Selig, wer seiner gesamten Persönlichkeit gut vorstehen kann, denn der hält sich einigen Ärger mit seiner Sexualität vom Hals!“

Im ersten Teil unserer Reihe haben wir zwei Lebenszeugnisse von KJB-Mitgliedern abgedruckt. Du kennst die KJB mittlerweile recht gut als mehrmaliger Referent auf unseren Veranstaltungen und natürlich aus persönlichen Gesprächen. Inwiefern hältst du diese Zeugnisse, sei es inhaltlich oder sprachlich, für „KJB-typisch“? Würdest du aus der Sicht eines Menschen, der sich seit vielen Jahren auf mehreren Ebenen mit unserem Thema auseinandersetzt, noch gerne etwas anmerken oder ergänzen?

Es steht mir nicht zu, sehr persönliche Zeugnisse zu beurteilen. In beiden Zeugnissen zeigt sich aber die Bestätigung meiner These von oben, dass wir in der Sexualität oft mehr nicht-sexuelle Fragen bewegen, als wir denken. So bringt die junge Frau sehr klar auf den Punkt, dass ihre Sehnsucht hinter der Sexualität Geborgenheit und der Wunsch nach Liebe war. Genauer schildert sie die Tragik, die dann eintritt, wenn solche tiefen Sehnsüchte nicht erfüllt werden. So schreibt sie: „Aber meine Sehnsucht danach wirklich erobert, als Frau wertgeschätzt und geliebt zu werden, wurde nicht erfüllt; statt dessen klammerte ich mich immer wieder an meine kaputten Beziehungen und versuchte zu retten und zu erhalten (…). Ich dachte, ich könnte die Beziehung retten, indem ich meinem Freund das gebe, was er will – auch auf körperlicher Ebene“.

Auch im Zeugnis des Mannes über seine homosexuellen Erfahrung ist leicht das nicht-sexuelle Motiv hinter der Sexualität zu erkennen: Er sucht den Vater. Ein solcher Satz begegnet mir in der Begleitung von Homosexualität oft. Menschen, die homosexuelle Sehnsüchte haben, fühlen sich oft von der Welt der Männer wie abgeschnitten oder mit ihr gar nicht verbunden. Sie stehen irgendwie draußen. Und das hat seinen Grund nicht etwa in einer Stigmatisierung, die sie durch die Homosexualität erleben, wie von der Schwul-Lesbischen-Bewegung gern behauptet wird. Dies hat meist mit einer innere Angst und einem Gefühl zu tun, von den anderen Männern zurückgewiesen zu sein. Da es für die Geschlechtsentwicklung aber wichtig ist, von den Mitgliedern der gleichen Geschlechtsgruppe bestätigt zu werden, inszenieren solche Menschen oft in der Sexualität eine Art Bestätigung. Sie können dadurch auf einer illusionären Ebene vermeintlich etwas erleben, was ihnen in den alltäglichen Beziehungen weit entfernt ist.

Die Frage war ja, ob ich die Lebenszeugnisse typisch für Christen halte, die in glaubenstreuen katholischen Familien aufgewachsen sind. Und meine Antwort: Ob sie typisch sind, kann ich nicht sagen, aber beide Zeugnisse sind sehr gut reflektiert und haben mitunter das in ihrer Sexualität aufdecken können, was eine Umkehr aus dem Sumpf von Illusionen ermöglicht: Ihr eigentliches Bedürfnis. Beide zeigen auch, dass sie dieses Bedürfnis, das Bedürfnis nach Anerkennung als Frau und Mann, nun in der Beziehung zu Gott und zu anderen Menschen finden und gestalten können. Das ist eine sehr reife Leistung, die ich nicht bei vielen meiner Klienten in der Sexualtherapie antreffe. Sie ist aber der Schlüssel auf dem Weg zu einem verantwortlichen Umgang mit Sexualität und dem eigenen Leben.

1 Kommentar

  1. Man sollte Gott auf Knien dafür danken, dass er den Menschen ein Gewissen gegeben hat, dass die Menschen damit intuitiv erfassen können, dass die katholische Sexualmoral die Liebe vergiftet hat und dass katholische Sexualmoral, wie wir sie zum Beispiel aus der Theologie des Leibes kennen, unglaubwürdig ist.

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